Quelle: "Trautenauer Bezirkskunde von 1901"

Gerichts- und Steuerbezirk Marschendorf

Marschendorf,

seit 1868 eine Marktgemeinde, die wegen ihrer einstündigen Ausdehnung von Freiheit (511 m) bis Dunkelthal (750 m) und Nieder-Kolbendorf schon früher in vier Theile geschieden wurde.

Seit dem Jahre 1873 [1] bildet Marschendorf vier von einander unabhängige Ortsgemeinden, die sich in dem ziemlich verengten Thale der Aupa und ihren Querthälern, Gräben genannt, ausbreiten und von der Gebirgsstraße durchzogen werden, welche nach der Hochwasserkatastrophe vom Jahre 1897 eine theilweise Verlegung fand, damit das Aupabett erweitert werden konnte.

Aus dieser Zeit stammen auch die Betonmauern an den Aupaufern, die zum Schutze gegen Hochwasserschäden an den gefährlichsten Stellen mit einem bedeutenden Kostenaufwande errichtet wurden.

Östlich von Marschendorf liegt das malerische Rehorngebirge mit der Max-Hütte (1001 m), westlich begrenzen den Horizont die dunklen Rücken des Forst- und Schwarzenberges (1244, 1299 m), an deren Abhängen zerstreute Baudengruppen und das Dorf Schwarzenberg liegen.

Der Ackerboden ist ein sandig kalkhaltiger Lehmboden, der mit Korn, Hafer, Flachs, Kartoffeln, Kraut und Rüben bebaut wird. Die Wiesengründe zeigen mitunter eine moorige Beschaffenheit. Von Obstbäumen finden Kirschen, Äpfel, Birnen und frühreife Pflaumensorten noch ein gutes Fortkommen.

Das Grundgestein besteht aus ausgedehnten Kalklagern, Gneis-Glimmer- und Tonschiefer. Von jagdbaren Thieren sind Rehe, Hirsche, Füchse, Marder, Hasen, Auer-, Hasel- und Rebhühner zu nennen. Die Zuflüsse der Aupa (Kolben-, Geisler- und Seifenbach) sind mit Forellen belebt. Die Bewohner gehören dem deutschen Volksstamme an und bekennen sich mit wenigen Ausnahmen zur röm.-katholischen Kirche.

Marschendorf I. Theil, gewöhnlich Nieder-Marschendorf genannt, schließt sich unmittelbar an Freiheit an, zählt 86 Wohnhäuser mit 1265 Einwohnern und zahlt jährlich 16103.62 Kronen directe Steuern.

Die Bewohnerschaft findet in den beiden im Orte bestehenden Papierfabriken lohnende Beschäftigung. Die Zahl der Handels- und Gewerbetreibenden beträgt 62. Die eine Fabrik, 1861 an Stelle eines alten Eisenhammers errichtet, wo auch Kanonen hergestellt wurden, gehört der Firma P. Piette und hat durch Erzeugung von Specialitäten an Blumen- Cigaretten- und Crepepapieren einen Weltruf erlangt. Dieses Etablissement ist musterhaft eingerichtet und beschäftigt über 400 Arbeiter bei hohen Lohnsätzen.

Die zweite Fabrik, in welcher einstmals auch Banknotenpapiere erzeugt wurden, heute feine Brief-, Schreib-, Carton-, Lösch- und Zeichenpapiere angefertigt werden, wurde 1862 erbaut und befindet sich im Besitze der Firma Roeder & Co. Die Zahl der Arbeiter beträgt 500. Sehenswert ist die zu dieser Fabrik führende 1,5 km lange Wasserleitung, die im Volksmunde wegen der hohen Herstellungskosten der Millionengraben genannt wird.

Südlich von der Piette´schen Fabrik liegt die schlossartige Villa des Prosper v. Piette, umgeben von herrlichen Parkanlagen.

Vor dem stattlichen Schulgebäude befindet sich ein Park mit Teich und ein Denkmal Kaiser Josef II., das im Jahre 1880 von der Bezirksvertretung in Marschendorf errichtet wurde.

Westlich vom Schulhause liegen an Stelle des im Jahre 1599 von Casper Nuß errichteten Brauhauses die Familienhäuser der Firma P. Piette, und am Eingange des anmuthigen, vom Seifenbache durchflossenen Seifenthales mit Spuren vormaliger Bergmannsthätigkeit (tiefer Graben – Sage vom Geigenmännchen, das bei mondhellen Nächten seine Weise ertönen läßt) steht die Villa Metzenauer und die Restauration Just-Mühle. Hier befindet sich auch der seit 1892 pachtweise zur Volksschule gehörige große Schulgarten mit Turnplatz, Obstbaumschule, Bienenstand und Abtheilungen für Blumen, Gemüse und landwirtsch. Versuchszwecke. Der alte Schulgarten, nördlich von den Familienhäusern gelegen, wird heute mit Zustimmung des Besitzers (Firma Piette) als Jugendspielplatz benützt. Westlich von dem heutigen Schulgarten befindet sich ein kleiner Teich zum Zwecke der Eisgewinnung.

Im Gemeindegebiete liegen auch 2 Steinbrüche und eine Kalkbrennerei. Um den Kalksteinbruch bei der Kalkbrennerei im Seifenthale besser ausnützen zu können, ließ die Firma P. Piette in denselben im Jahre 1900 einen Stollen führen.

Zur Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse brachte die Gemeinde große Opfer. Im Jahre 1899 wurde die Canalisierung durchgeführt und 1900 für ein gesundes Trinkwasser durch Herstellung einer Wasserleitung gesorgt, deren Quellen am Abhange des Rehorngebirges liegen. Diese Hochquellenleitung liefert 6 Secundenliter Wasser bei einer Temperatur von 7! C. und speist 14 Brunnen und 11 Hydranten, letztere mit einer Wurfkraft von 28 m Höhe und 40 m Länge. Die Herstellungskosten beziffern sich rund mit 60.000 Kronen. Die feierliche Übernahme fand am 20. October 1900 statt.

Der Wasserbeschaffungscommission gehörten an: Prosper von Piette, Vorsitzender, Paul Wagner, Vertreter der Firma G. Roeder, die Gemeinderäthe Rudolf Metzenauer und Josef Sieber und die Gemeindevertretungsmitglieder Josef Demuth, Karl Lorenz und Hermann Kirchner.

Die Errichtung einer Kirche liegt im Wunsche der Bevölkerung. Die Absicht, am Tage des 50jährigen Regierungsjubiläums Sr. Majestät, unseres allergnädigsten Kaisers Franz Josef I. den Grundstein zu dem neuen Gotteshauses zu legen, wurde durch die Hochwasserkatastrophe vom 29. Zum 30. Juli 1897 vereitelt, welche die hiesige Gemeinde, wie überhaupt ganz Marschendorf, in schrecklicher Weise verwüstete.

Der gegenüber dem Gasthause "zum Landhaus" durch die Firma P. Piette in pietätvoller Weise errichtete eingefriedete Denkstein in Form einer Pyramide erinnert an den Tod von 17 Personen durch Einsturz des Breiter´schen Hauses bei oben benannter Katastrophe.

Die Jugend von Marschendorf I. Theil besuchte früher die Schule in Freiheit.

Im Jahre 1839 verlangte Baron Silberstein, Patron der Freiheiter Schule, zum Baue eines neuen Schulhauses nicht nur von der Gemeinde Marschendorf I. Theil, sondern auch von der Marschendorfer Grundherrschaft Leistungen an Materialien, Handarbeiten und Bezahlung von Handwerkern. Diese Forderungen wurden auf Grund einer Commission des Königgrätzer und Jitschiner Kreisamtes abgewiesen und die Einschulung zur Mutterschule in Marschendorf beschlossen. Im Jahre 1840 suchte Marschendorf I. um Einschulung nach Freiheit an, wurde aber abgewiesen. Auch die im Jahre 1844 bei dem damaligen Landes-Chef Erzherzog Stephan vorgebrachten Vorstellungen blieben erfolglos. Im Jahre 1846 begab sich eine Deputation, bestehend aus dem Ortsrichter Wenzel Just, dem Hammerwerksbesitzer Johann Zinecker und dem Wirtschaftsbesitzer Josef Schubert, zum Erzherzoge Stephan, um die Einschulung nach Freiheit zu erwirken, allein erst im Jahre 1847 setzte es Graf Berthold Aichelburg durch, daß die Kinder von Marschendorf I. die Schule in Freiheit besuchen durften, ohne daß Marschendorf bei Baulichkeiten in der Freiheiter Schule einen Beitrag zu leisten habe, was im Jahre 1849 vom hohen Gubernium bestätigt wurde. Die jetzige Schule wurde am 15. September 1860 als dreiclassige Privatvolksschule des Prosper v. Piette eröffnet. Mit Erlaß vom 22. Juni 1882 erhielt die Privatschule das Öffentlichkeitsrecht. Am 15. September 1891 wurde die 4. Classe eröffnet und im Jahre 1885 wurde die Schule als fünfclassige Volksschule in Landesverwaltung übernommen.

Der erste Oberlehrer hieß Eduard Petrak; ihm folgte 1885 Raphael Iser und diesem 1890 Josef Demuth. Heute zählt die Schule 5 aufsteigende Classen und seit 1901 eine Parallele. Die Zahl der schulbesuchenden Kinder beträgt 320. Mit der Volksschule steht seit 1884 eine musterhaft eingerichtete Schulwerkstätte und seit 1900 eine gewerbliche Fortbildungsschule in Verbindung, die 60 Schülern besucht wird. Die Lehrerbibliothek umfaßt 400, die Volksbibliothek 500 Bände. Der in dem Jahre 1892 eröffnete landwirtschaftliche Lehrcurs mußte wegen Mangels an Zöglingen 1894 wieder aufgelassen werden.

Am 18. September 1894 besuchte die Schule Seine Excellenz Graf Franz Thun, Statthalter von Böhmen, und trug seinen Namen in das aufliegende Gedenkbuch ein.

Durch Gründung der Schule, sowie anderer humanitäre Anstalten (Kindergarten seit 1879, Elisabeth-Kinderasyl seit 1885 u.s.w.) haben sich Prospher von Piette ), sowie die Chefs der Firma P. Piette [2] in den Herzen der Bevölkerung ein bleibendes Andenken gesetzt.

Seit 1. September 1898 besitzt Marschendorf I. ein k.k. Post- und Telegraphenamt.

Die Gemeindeangelegenheiten besorgte seit 1860 Wenzel Schwantner und seit 1864 Josef Just. Die erste Gemeindewahl erfolgte nach Trennung der Gemeinden am 17. Juni 1873. Am 26. Juni d. J. wurde Josef Just zum Bürgermeister gewählt und anläßlich seiner langjährigen Verdienste als solcher im Jahre 1898 mit dem goldenen Verdienstkreuze ausgezeichnet. Am 1. April 1902 legte Josef Just sein Amt als Bürgermeister in die Hände des 1. Gem. Rathes Rudolf Metzenauer nieder, der am 25. April 1902 zum Bürgermeister gewählt wurde.

Von Vereinen sind zu nennen: Die Feuerwehr der Firma P. Piette und Gemeinde Marschendorf I. Theil, die Feuerwehr der Firma Gustav Roeder & Co., die Section Marschendorf I. und II. Theil des österr. Riesengebirgsvereines, der Commersverein, der Kirchenbauverein, der Arbeiterbildungsverein, die Gewerbegenossenschaft, der Verein Selbsthilfe und der Militär-Veteranenverein. Ehemals bestand auch ein Eisclub.

Zu Marschendorf I. gehörte die bei Johannisbad liegende Waldschenke und die Villa Duncan.

Nennenswerte Wege sind: "Die Piette-Promenade", führt seit 1869 durch das Seifenthal nach Johannisbad. Von der Piette-Promenade zweigt bei der Just-Mühle links ein Bergweg nach Johannisbad ab, dem der Name "Franz Holub-Weg" beigelegt wurde, von welchem wieder links der "Paula-Weg" zum Pilz, weiter oben im Walde rechts ein Feldweg nach Johannisbad abbiegt.

Durch die Benennung "Franz Holub-Weg" und "Paula-Weg" wurde das Andenken des am 2. Mai 1895 verstorbenen Fabrikbesitzers und Wohlthäters Franz Holub und seiner bereits früher verstorbenen Gemahlin Pauline geehrt. Der Denkstein, welcher die Bezeichnung der beiden Wege trägt, steht am Ausgangspunkte derselben oberhalb der Just-Mühle, hat die Form einer vierseitigen Pyramide und ist aus Sandstein gemeißelt. Die feierliche Enthüllung fand am 03. August 1901 durch den öster. R.-G.-V. [3] Section Marschendorf I. und II. Theil statt.

Unterhalb der Roeder´schen Papierfabrik zweigt seit 1898 von der Gebirgsstraße rechts der "Rosa-Weg" zur Max-Hütte ab, durch dessen Namen Frau Rosa von Piette ein Denkstein gesetzt wurde. Eine geschliffene Granitplatte vor den bewaldeten Höhen des Rehorns trägt die Widmung "Rosa-Weg" – Section Marschendorf I. u. II. des öster. R.-G.-V. 14./6.1898.

Der Güttner-Weg, welcher seit 1895 hinter den Piette´schen Familienhäusern rechts von der Piette-Promenade nach dem Schwantnergraben abbiegt, gilt dem Andenken des verstorbenen, in gesellschaftlichen Kreisen beliebte Procuristen Alois Güttner.

Marschendorf II. Theil, an Marschendorf I. Theil anschließend, zählt 46 Häuser und 477 Einwohner, die sich vornehmlich von Ackerbau und Viehzucht ernähren oder Erwerb in den Fabriken suchen. Handels- und Gewerbetreibende gibt es 24. Die Steuerleistung der Gemeinde beträgt 1260 Kronen. Von größeren gewerblichen Unternehmungen sind nennenswert: eine Leichenbestattungsanstalt, die Bau- und Maschinenschlosserei des Anton Renner mit Patent auf Erzeugung von Blechschindeln, die Bau- und Möbeltischlerei des Josef Schiller (Specialitäten in Bilderrahmen und Holz-Schnitzereien) und die Feilenhauerwerkstätte des Karl Erben. Die Errichtung einer Kalkbrennerei (Ringofen) steht in Aussicht. Im Ortsgebiete liegt die bereits erwähnte Wasserleitung der Firma Gustav Roeder & Co. und 2 Steinbrüche. Die Aupa nimmt am rechten Ufer den Geislerbach auf.

Von Gebäuden ist das 1900 unter dem Bürgermeister B. Missberger erbaute Gemeindehaus erwähnenswerth.

Zu Marschendorf II. Theil gehört die unterhalb der Blausteine liegende Braunbaude mit Gastwirtschaft. Eingeschult ist die Ortschaft nach Marschendorf I.. Marschendorf II. Theil ist der Sitz einer Bundesgruppe der Deutschen in Böhmen.

Marschendorf III. Theil schließt sich an Marschendorf II. Theil an, hat 56 Häuser und 329 Einwohner, die sich meist mit Feldbau beschäftigen. 15 Handels- und Gewerbetreibende besorgen die Bedürfnisse der Ortsbewohner. Die directen Steuern betragen in Jahressumma 1168,39 K. Die Aupa nimmt rechts das schwarze Floß auf.



Links eine mehrhundertjährige alte Linde und daneben das alte Pfarrhaus bzw. Pfarrgut.
Foto: Heiko Hofmann, Aschaffenburg.

In dieser Gemeinde steht die alte Kirche zu Maria Himmelfahrt mit der Pfarrei, bei der eine mehrhundertjährige Linde ihren Standort hat. Neben der Pfarrei, unterhalb des Friedhofes, befindet sich eine alte Statue des hl. Johannes. Früher befand sich in Marschendorf III. Theil auch die Schule. Zu der Marschendorfer Kirche gehörten sämtliche Ortschaften der Marschendorfer Herrschaft, die im Norden von preußisch Schlesien, im Osten von der Herrschaft Schatzlar und im Westen von der Herrschaft Hohenelbe begrenzt wird und die Ortschaften Marschendorf mit 4, Großaupa mit 3, Kleinaupa mit 2, Kolbendorf mit 2 Gemeinden, ferner Dörrengrund, Dunkelthal, Rehorn und Schwarzenberg in sich schloß. Auffallend ist es, daß in den ältesten Zeiten auch Soor [4] mit einer Filialkirche nach Marschendorf eingepfarrt war. Seit 1789 sind Großaupa, Kleinaupa und Soor getrennt.

In der alten Kirche steht ein Taufstein mit der Jahreszahl 1572. Die Kirche wurde 1568 von den Protestanten lutherischer Confission aus Holz erbaut und diente bis 1608 als Bethaus. Als erster Pfarrer dabei wird David Finger genannt. Ihm folgten: Peter Scharfenberger, Walther Bayer, Franz Langer und Zacharias Schmied. Im Jahre 1605 begannen die Protestanten den Bau der alten steinernen Kirche, der 3 Jahre dauerte. 1622 wurden die Protestanten mit ihrem Pfarrer Zacharias Schmied vertrieben, und die Kirchekam in den Besitz der Katholiken. Der erste katholische Pfarrer war der Mönch Bonaventura von 1628 bis 1635.



Links: Der Friedhofseingang mit den alten Linden, dahinter versteckt das alte Pfarrhaus. Rechts die alte Pfarrkirche aus dem Jahre 1608, daneben die Aichelburgische Gruftkapelle.
Foto: Heiko Hofmann, Aschaffenburg.

Ihm folgten: Peter Moritz bis 1636, Wolf. Heinr. Fuchs bis 1640, Johann Hartmann bis 1648, Martin Wunibald bis 1650, Johann Görnig bis 1659, [5] Christoph Carl Liebhold bis 1671, Georg Ignaz Pitsch, Matthäus Brendler, Balthasar Bernhard Stanke, Lukas Franz, Laurenz Knauer (Ehrendechant, später insulierter Probst von Zderas in Prag) 1863 bis 1705, Andreas Josef Schuster (war der Erste, der einen ex propriis zu erhaltenden Kaplan erhielt) bis 1730, Johann Rudel, Ignaz Bergmann, Anton Czeregetti, Fr. Freiwald 1756 bis 1768, Joh. Schlesinger bis 1773, Fr. Karl Mayer (Ehrendechant) bis 1794, Joachim Vitus Kamenitzky bis 1795, Wenzel Eisenhut bis 1806, Franz Geltner (erhielt aus besondere Gnade schon als Administrator des pens. Eisenhut 300 fl. Gehalt aus dem Religionsfonde zur Erhaltung eines Kaplans) bis 1815, Nikodem Kulhanek bis 1829, Franz Petera bis 1836, Franz Zwinner bis 1843. Unter diesem kam zwischen Patron und Kirchkindern ein Vertrag zustande, nach welchem die Kirchkinder ganz allein die Glocken, die Friedhofsmauer und das Bahrtuch auf eigene Kosten in brauchbarem Stande zu erhalten hatten. Dieser Vertrag wurde bei der Renovierung der Friedhofmauer 1852 nicht repectiert. Im Jahre 1840, unmittelbar vor der bischöfl. Generalvisitation, sind mit großen Unkosten 22 Treppenstufen vor dem Eingange der Kirche gelegt worden.

1847 wurde beim Eingange in den Friedhof rechter Hand ein festes Kreuz aus Gußeisen mit vergoldetem Corpus angeschafft.

Der 25. Pfarrer hieß Jos. Mar. Kopp bis 1870. Unter ihm erhielt 1851 die Kirche eine neue Orgel mit 15 Mutationen, hergestellt vom Pilnikauer Orgelbauer Johann Barth; 1852 einen neuen Kreuzweg und den Rosenkranzaltar. In diesem Jahre wurde auch die große silberne Monstranz vergoldet, nachdem sie von den Kirchkindern wieder eingelöst worden war. (Sie war unter jenen Gold- und Silbergefäßen, die auf h. Befehl abgeliefert werden sollten). Ferner wurde der große Kelch und ewige Lampe angeschafft. 1851 schenkte Graf Berthold Aichelburg blausammtene Stühle für das Prebyterium. 1853 baute derselbe das Oratorium für 500 fl. C.M. In demselben Jahre wurde der Hochaltar, die Kanzel und Orgel vom Prager Bildhauer Kerndl um 450 fl. C.M. staffiert.

Das Kirchvermögen betrug seit der Rechnungsführung des H. Frenzel im Jahre 1828 2175 fl., im Jahre 1852 7108 fl. W. W.

Zur Kirche gehört kein liegender Grund. Bei Beerdigungen wird für die Grabstätte und die Glocken nichts entrichtet. Die nothwendigen Baulichkeiten werden vom Patron und durch Sammlungen bestritten.

Der Gedenkschrift im Kirchthurmknopfe "1797 ist der beschwerliche Bau des großen und kleinen Thurmes unter Joh. Berthold Schaffgotsch aufgeführt und beide Thürme mit Blech eingedeckt worden. Der kupferne Knopf des großen Thurmes ist der alte geblieben, welcher 1699, als er gebaut wurde, zugeschafft worden. Kirchkinder waren überhaupt 2964. Wzl. Eisenhut, Pfarrer", setzte Pfarrer Kopp folgende bei: "1861, bei Neudeckung des Thurmes, wurde der Knopf abgenommen, vergoldet und am 25. August aufgesetzt von den Zimmerleuten Josef Jantsch aus Marschendorf und Wzl. Mitzinger Großaupa".

"Im Jahre 1865 nahm Kopp die Benediction der gräfl. Aichelburg´schen Gruftkapelle vor. Nach dem Tode des Grafen Berthold Aichelburg faßte nämlich die hinterbliebene Witwe Gr. Ernestine Theodora den Plan, auf dem Marschendorfer Friedhofe eine Familiengruft zu erbauen. Nach schriftlicher Erklärung, für die im Laufe der Zeit nothwendigen Reparaturen durch Deponierung einer auf 100 fl. Lautenden Staatsobligation einzustehen, wurde ihr die Bewilligung zum Baue ertheilt, nach dessen Herstellung die Übertragung der Leiche ihres Gemahles am 3. November 1869 stattfand.



Die Aichelburgische Gruftkapelle.
Foto: Heiko Hofmann, Aschaffenburg.

1867 wurde der Friedhof erweitert, wozu gegen 700 Klaftern von der Pfarrwidmuth [6] abgetrennt wurden, wofür Pfarrer Ferdinand Kutscher (derzeit Ehrendechant, bischöflicher Notar und bischöfl. Vicär) als Nachfolger des 1870 verstorbenen Kopp jährlich 6 fl. 59 1/2 kr., als Entschädigung aus der Kirchencasse erhielt.

Über das Unglück, welches im Jahre 1868 die Marschendorfer Kirche traf, schreibt das Memorabilienbuch Folgendes:

"Marschendorf, der schöne, von romantischen Bergriesen eingeschlossene, an dem Aupaflusse gelegene Ort, wurde wohl von vielen schrecklichen Ereignissen heimgesucht, aber nicht leicht wird eines einen so erschütternden Eindruck in dessen Bewohnern zurücklassen haben, als der Kirchenbrand vom 3. Juni 1868.

Am 26. Mai desselben Jahres hatte ein Gewitter, verbunden mit Schlossen, auf den Feldern des linken Aupaufers bedeutende Verheerungen angerichtet, welche das ohnedies geringe Erträgnis der Grundstücke für eine lange Reihe von Jahren herabsetzten.

Am 3. Juni zeigte wieder die drückende Schwüle der Luft ein schweres Gewitter an, und mit bangem Gefühle blickte man dem Abende entgegen. Bereits um ½ 8 Uhr zeigte das Blitzen aus der Ferne in der Gegend zwischen Trautenau und Arnau das Herannahen des gefürchteten Gewitters an, und nicht gar lange, so hörte man auch das dumpfe Rollen des Donners.

Die unheilvollen, gewitterschweren Wolken theilten sich; ein Theil zog über Trautenau östlich, und der andere wälzte sich gegen Marschendorf heran. Dieses Gewitter, obwohl an sich schon ein schweres, wäre wahrscheinlich nicht so gefährlich geworden, wenn sich dasselbe nicht gerade oberhalb Marschendorf mit einem von Glasendorf und mit einem von Schlesien herankommenden, das dort bereits mehrere Brände verursacht hatte, vereinigt hätte.

Grausen erregend war das jetzt folgende Schauspiel; Blitz folgte auf Blitz, Schlag auf Schlag, so daß die Erde zitterte und die Fenster klirrten, und die Bewohner in ihrem Schrecken den jüngsten Tag angekommen glaubten. Abermals erfolgte ein Schlag, und die Kirche war an der Südseite des Thurmes getroffen und durch einen zweiten Schlag an der Nordseite, der jedoch nicht zündete, während der erste den hölzernen Knopf in Brand steckte. Das Feuer war anfangs kaum größer als ein Kerzenlicht und breitete sich m Zeitraume einer halben Stunde auch nur sehr wenig aus, weil der in Strömen herabfallende Regen es hinderte.

Alle Versuche, die Kirche zu retten, waren vergebens, theils wegen der beträchtlichen Höhe des Thurmes, theils weil die Finsternis im Thurme das Erklettern desselben vereitelte. So mußte man zusehen, ohne etwas thun zu können.

Das erste, was geschah, war die Ausräumung der Kirche. Innerhalb einer Stunde war die Kirche ihres Schmuckes entblößt, die Altäre standen kahl da; Bilder, Figuren und Alles, was nur einigen Wert hatte, wurde vorläufig ins Pfarrgebäude geschafft. Während dessen langten die 2 Marschendorfer Spritzen an, die wohl alles aufboten, um wenigstens den Dachstuhl zu retten, wenn schon der Thurm verloren sein sollte. Aber leider! Auch das gelang nicht, denn vom Thurme führte auf das Kirchengewölbe eine hölzerne Thür, die nicht mit Blech beschlagen war, und durch welche das Feuer eindrang. Die Kirche war also verloren. Jetzt handelte es sich um die Rettung des Pfarrgebäudes und des in der Nähe befindlichen Wirtschaftsgebäudes des J. Reuß Nr. 167. Zum Glücke langte die Freiheiter Schlauchspritze an, mittelst welcher dieses auch ermöglicht wurde. Ein furchtbarer Anblick war es, als das Dach der Kirche brannte. Durch die ungeheure Glut und die wie Regen herabfallenden Kohlen kamen die zwei genannten Gebäude in äußerste Gefahr, trotzdem die sehr zahlreich herbeigeeilten Kirchkinder alles aufboten, das Brennen derselben zu verhindern. Als die Gefahr am höchsten war, kehrte zum Glück das Gewitter zurück und schlug wohl noch einigemal in die brennende Kirche, rettete aber durch den Regen das Pfarrhaus und die Reuß´schen Gebäude.

Der Dachstuhl war niedergebrannt, aber im Thurme wüthete das furchtbare Element noch immer und drohte in das Innere der Kirche einzudringen und zwar durch die Chorthüre und das herrschaftliche Oratorium. Und besonders da zeigte sich wieder die schöne Gesinnung der Bewohner Marschendorfs. Ohne auf die Gefahr zu achten, die durch das mögliche Einstürzen des Kirchengewölbes drohte, bot man alle Kraft auf, um das Eindringen des Feuers in die Kirche zu verhindern. Und dem Himmel sei es gedankt! Es gelang, freilich mit Anstrengung aller Kräfte. Das Gewitter kam dann noch einmal zurück, nur nicht so stark, wie das erste- und zweitemal, und um 3 Uhr früh konnte man sagen: Das weitere Unglück ist abgewendet.

Durch diesen Brand verlor die Marschendorfer Kirche das schöne Geläute, bestehend aus 3 Glocken im Gewichte von 22 ½ Center, ferner die Darstellung des hl. Grabes und die Geburt Christi, welch beide Sachen auf dem Kirchboden deponiert waren.

Den anderen Tag ging die Sonne in ihrem vollen Glanze über den rauchenden Trümmern unseres Gotteshauses auf. Schon am frühen Morgen begann man mit dem Ausgraben der zerschmolzenen Glocken. Doch beim Abwiegen ergab sich ein Verlust von 9 ½ Center.

Die gerichtliche Commission, welche den Brand aufnehmen und zugleich die Haltbarkeit des Gewölbes prüfen sollte, erschien am 6. Juni 1868. Der Ausspruch der Sachverständigen lautete dahin, saß das Gewölbe und die Mauern, die wohl bedeutende Risse zeigten, etwa noch 15 bis 20 Jahre halten können, daß man deshalb auf einen Neubau Bedacht nehmen müsse.

Es bildete sich deshalb unter dem Protectorate der Patronin Ernestine Theodora v. Eder ein "Kirchenbau-Comité", bestehend aus 18 Mitgliedern, dessen Zweck es war, theils für die Herstellung der Kirche Sorge zu tragen, theils auch Mittel ausfindig zu machen, um deren Neubau zuwege zu bringen.

Es wurde deshalb in der Kirchengemeinde und mit h. Statthaltereibewilligung in ganz Böhmen eine Sammlung eingeleitet, welche eine größere Summe einbrachte.

Rühmlich zu erwähnen ist hier der Finanz-Commissär K. Schmidt, durch dessen Bemühung wir ein neues "hl. Grab" zustande brachten und Kirchenparamente von der Kaiserin Anna und dem Damen-Unterstützungsverein in Prag, sowie einen Betrag von 500 fl. Vom Kaiser Ferdinand erhielten. Diesem ist es auch zu verdanken, daß eine Kirchenlotterie zustande kam, die einen Reingewinn von 1300 fl. Abwarf. Der Bau des Thurmes und des Kirchendaches wurde aus Gemeindemitteln bestritten und vom Zimmermeister Lahmer aus Albendorf ausgeführt.

Das Erste, was das Kirchen-Comité zu besorgen hatte, war die Anschaffung neuer Glocken. Die Lieferung derselben übernahm die Glockengießerei von C. Bellmann in Prag. Die 1. Glocke, Sct. Maria, 1677 Pfd. Schwer, trägt die Inschrift: "Am 3. Juni 1868 nachts ist infolge Blitzschlages die hiesige Kirche abgebrannt, wobei drei Glocken zerstört worden sind! Mit Hilfe milder Beiträge aller Wohlthäter des ganzen Kaiserreiches wurden im Monate October 1868 drei neue Glocken wieder hergestellt. Gegossen in Prag von Carl Bellmanns Tochter Anna."

Die 2. Glocke, Sct. Elisabeth, 770 ¾ Pfd. Schwer, hat die Inschrift: "Am 5. Juni 1868 hat die Kirchengemeinde Marschendorf in frommer Hoffnung auf die Hilfe Gottes und die fromme Mithilfe edler Wohlthäter den Bau einer neuen Kirche beschlossen, und zu diesem Zwecke ein Comité gewählt.

Dieses bestand unter dem Protectorate der hochgeb. Freiin Theodora von Eder aus den Herren: P. J. Kopp, P. Fr. Kutscher, Fr. Metzenauer, W. Schmidt, Pr. Piette, A. Scholz, J. Kühnel, J. Just, L. Jantsch, J. Reuß, J. Müller, Fr. Lahmer, G. Barth, A. Fuckner, J. Scholz, A. Lamer, J. Melzer, Fl. Beier."

Die 3. Glocke, Sct. Theodora, 444 ½ Pfd. schwer, zeigte die Inschrift: "Ich rufe stets mit meinem Klang zu Gott um Ehre, Ruhm und Dank; ein jeder merk´ auf meinen Schlag und bedenke sich den letzten Tag."
Die Armenseelenglocke im Gewichte von 50 Pfd. mit der Inschrift: "Franz Lohner, gebürtig aus IV. Theil Marschendorf Nro. 18, Spinnmeister in Chotzen, hat diese Glocke der Kirche geschenkt aus Dankbarkeit für die Errettung aus einer lebensgefährlichen Krankheit" – ist beim Kirchenbrande nicht geschmolzen, sondern herabgefallen, ohne verletzt zu sein.

Der Preis der Glocken, die ein Gewicht von 29 Center haben, sammt allem Zubehör betrug 4000 fl. Die Zufuhr von Prag besorgte Josef Reuß Nr. 167 unentgeltlich. Die Einführung der Glocken in die Gemeinde und das Aufhängen derselben in einer recht feierlichen Weise zu begehen, war Sorge des Comités. Und es ist auch alles geschehen, was Marschendorf thun konnte. Der 19. November 1868 war der auserwähnte Tag für diese Feier, die gewiß eine der schönsten war, so lange Marschendorf steht.

Am frühen Morgen bewegte sich der Zug, geführt von 2 Geistlichen in priesterlicher Kleidung, bestehend aus 21 weißgekleideten Glockenjungfrauen, aus den herrschaftlichen und kaiserlichen Beamten, dem Männergesangvereine und einer Volksmenge bis an die Grenze Marschendorfs, wo sie mit Kränzen geschmückten Wagen standen. Nach einer kurzen Anrede einer Jungfrau, die im Namen der Kirchengemeinde die Glocken begrüßte, ging der Zug unter Böllerschießen und unter den Klängen der Musik zur Kirche hin. Beim Pfarrgebäude wurden die Glocken vom Wagen ab, auf Schlitten überladen und zur Kirche mit Menschenhänden hinaufgeschafft. Freude leuchtete auf dem Anlitze aller Anwesenden, und der Eifer, behilflich zu sein, war so groß, daß Scenen vorkamen, die allgemeine Heiterkeit erregten. Unter der umsichtigen Leitung des Zimmermeisters Josef Lahmer wurden die Glocken aufgezogen und eingehängt. Um 4 Uhr nachmittags begann die kirchliche Feierlichkeit. Nach einer kurzen, von der Bedeutung der Glocken handelnden Anrede des Cooperators P. Kutscher wurden die Glocken das erstemal geläutet. Die wundervolle Harmonie derselben und die feierliche Stimmung in der sich alles befand, preßte Allen Thränen aus den Augen. Der Schluß der Feier war ein Te Deum, in das gewiß alle Anwesenden aus voller Brust einstimmten".



Links das alte Pfarrhaus, fast mittig die alte Kirche (erbaut 1605 – 1608) und rechts die Aichelburgische Gruftkapelle.
Foto: Heiko Hofmann, Aschaffenburg.

Seit 15. October 1899, an welchem Tage die neue Kirche in Marschendorf IV. Theil eingeweiht wurde, diente die alte Kirche, um welche sich der Friedhof ausbreitet, nur noch als Begräbniskapelle. Auf dem Friedhofe befindet sich ein alter Grabstein mit der Jahreszahl 1600, dessen Inschrift sich leider nicht mehr entziffern läßt.

Die unterhalb der Pfarrei stehende Kirchenschenke ist ein sehr altes Einkehrhaus.

Die Zeit der Errichtung der Schule ist nicht bekannt. Man vermuthet, daß schon zur Zeit des Bestandes der protestantischen Kirche auch eine Schule bestand, die zugleich mit der Kirche in eine katholische umgewandelt wurde. Ein zweites Schulhaus wurde 1794 erbaut. Der Name des ersten Lehrers ist unbekannt, doch steht sicher, daß vor 1625 ein gewisser Simon Weiner durch 55 Jahre im Ort als Lehrer thätig war. Anton Just war 17 Jahre alt, als er von seinem Vater das Schulamt übernahm. Er wirkte 36 Jahre hindurch im Lehr- und Musiksache und wurde im 53. Lebensjahr (1806) nach Belohrad übersetzt. Ihm folgte Franz Heisler, früher Lehrer in Klein-Aupa, gest. 1836 als Musterlehrer. Dieser vermachte der Schule ein Capital von 500 fl. W. W., von dessen Interessen arme Schulkinder bekleidet und die Schulbibliothek erweitert werden soll. Heisler beschäftigte sich viel mit Blumenzucht.

Seine Nachfolger hießen: Franz Wolf bis 1871, Theodor Schremmer bis 1888, Josef Demuth bis 1900, Raphael Iser bis 1894, Josef Langner seit 1894. Eingeschult waren Marschendorf II., III. und IV. Theil, Dunkelthal und Nieder-Kolbendorf. Die Schülerzahl betrug im Jahre 1840 248. Davon besuchten die Schule 218. Sonntagsschüler waren 151. Hievon besuchten die Schule 125.

Seit 1886 gehört Marschendorf III. Theil zur Schulgemeinde Marschendorf IV. Theil. Im Ortsgebiete liegen 2 Steinbrüche, eine Holzschleife (Pächter Hermann Hofer) und ein Klärteich der Firma Gustav Roeder & Co. Früher bestand im Orte eine Färberei. Das Gewerbe der Sägeschmiede erbt sich in der Familie Legler fort. Nebst anderen Gewerben besteht neuerer Zeit auch eine Bildschnitzerei.

Zu Marschendorf III. Theil gehören die am Abhange des Fortsberges liegenden Krausebauden und Reußhäuser.

Mit Marschendorf IV. Theil findet der ausgedehnte Marktflecken bei Nieder-Kolbendorf und Dunkelthal seine Abgrenzung. Die Gemeinde Marschendorf IV. Theil, auch Ober-Marschendorf genannt, zählt 82 Häuser mit 695 Einwohnern, die vornehmlich dem Bauern-, Gewerbe- und Arbeiterstande angehören. Die Zahl der Handels- und Gewerbetreibenden beträgt 63, die Leistung an directen Steuern 6149 Kronen.

In die Aupa ergießt sich hier links der Kolbenbach und der Schaffergraben.

Marschendorf IV. Theil ist der Sitz der k.k. Behörden, u. zw. eines k. k. Bezirksgerichtes, eines k.k. Steueramtes, eines k.k. Notariates, eines k.k. Gensdarmerieposten-Commandos, einer k.k Finanzwach-Abtheilung und eines k.k. Post- und Telegraphenamtes. Außerdem bildet Marschendorf IV. Theil den Sitz der Bezirksvertretung für den Gerichtsbezirk Marschendorf, einer Brandschadenversicherungsgesellschaft, [7] eines Spar- und Vorschußvereines, einer Armenverpflegestation und einer k.k. Lotto-Collectur. Die Advokatenkanzlei befindet sich derzeit im Besitze des J.-U.-Dr. Karl Kann. Districtsarzt ist M.-U.-Dr. Wenzel Lahmer.

Von Gebäuden sind außer dem Jahre 1792 erbauten herrschaftl. Schlosse, welches mit einem schönen Parke umgeben ist, noch zu nennen: die in den Jahren 1895 bis 1898 im gothischen Stile errichtete Kirche zu Maria Himmelfahrt, das Volksschulgebäude, das Bürgerschulgebäude, das Kinderasyl, der Brauhof mit Brauerei und Gastwirtschaft, das Forstamtsgebäude, das k.k. Gerichtsgebäude, das Gemeindehaus und das Schlachthaus. Seit 1901 ist Marschendorf IV. im Besitze einer Wasserleitung. Auch wurde ein Monumentalbrunnen projectiert. Die neuerbaute Kirche fand am 15. October 1899 unter massenhafter Betheiligung der Bevölkerung die feierliche Einweihung.

Das von der hohen Frau Kirchen-Patronin im Vereine mit der allgemein hochgeehrten gräflichen Familie Czernin gewidmete Kirchenkreuz ist 385 Kilo schwer und krönt den 53 Meter hohen Kirchthurm seit 2. Juli 1898. Die Widmungsurkunde ist in einer verlöteten Kapsel nebst den heute gangbaren Münzen im Knopfe aufbewahrt und enthält folgenden Wortlaut:

"Pro Memorial! Unter dem gnädigen Schutze des Allmächtigen gelang es, am heutigen Tage das fromme Werk – unsere neue katholische Kirche – mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes an der Thurmspitze zu krönen.

Dieser Bau wurde mit Rücksicht auf die alte, baufällige Kirche, welche oberhalb des Pfarrhauses auf dem Friedhofsgrunde stand, von der hochgeborenen Kirchen-Patronin, Frau Alosia Gräfin Czernin von Chudenitz, geb. Gräfin Morzin, Besitzerin der Herrschaft Hohenelbe und Marschendorf – im Vereine mit deren Sohne, dem hochgeborenen Herrn Rudolf Grafen von Czernin von Chudenitz, Besitzer der Herrschaft Gießhübel, sowie dessen Gemahlin, der hochgeborenen Frau Emma Gräfin Czernin von Chudenitz, geb. Gräfin Orsini Rosenberg, ins Leben gerufen und unter opferwilliger Mitwirkung der eingepfarrten Gemeinden den wirklichen Bedürfnissen entsprechend in größerem, räumlichen Umfange ausgeführt.

Hiezu spendeten die Gemeinden den Barbetrag von ö. W. fl. 10 000 – und übergaben weitere ö. W. fl. 5 700 – als gesammelten Kirchenbaufond zur inneren Einrichtung.

Die Kosten des Baugrundes per ö. W. fl. 8500 – wurden von der Frau Patronin und der Gemeinde Marschendorf IV. Theil je zur Hälfte gedeckt. Den fehlenden Rest der Baukosten, sowie die innere Einrichtung übernahm die gräfliche Familie Czernin-Morzin zur Bestreitung aus eigenen Mitteln.

Der Bauplan wurde vom k.k. Regierungsrathe und Professor Josef Schulz in Prag entworfen und unter dessen Oberleitung vom Bauingenieur Otto Fiedler aus Arnau durchgeführt. Das Fundament zu diesem Baue wurde im Herbste des Jahres 1894 gelegt; die Einweihung des im rechtsseitigen Sockel-Mauerwerk der Thurmeingangshalle versetzten Grundsteines fand am Feste des heiligen Martius im Jahre 1895 statt. In den Jahren 1895 bis 1897 gedieh der Bau bis zur Eindeckung des Hauptschiffes und soll mit Gottes Hilfe im Jahre 1898 beendet und 1899 seinem frommen Zwecke übergeben werden.

Die Vollendung des Baues fällt in das 50. Jubeljahr der Regierung unseres vielgeliebten Monarchen, Sr. Majestät des Kaiser Franz Josef des Ersten.

Während der furchtbaren Hochwasser-Katastrophe vom 29. und 30. Juli 1897 bewahrte die göttliche Vorsehung den Bau, dessen Sockel von den verheerenden Fluthen umspült wurde, von jeder Beschädigung, und es wurde nur ein Theil des Baumaterials vom Hochwasser fortgeführt. So war es den Erbauern vergönnt, inmitten allseitiger Bedrängnis, wo die Bevölkerung des ganzen Aupathales unter den unheilvollen Folgen des Hochwassers schwer leidet, wo ein unglücklicher Sprachenstreit in Land und Reich die Gemüther erregt, wo Umsturz der bestehenden Ordnung von allen Seiten droht, – diesen Gott geweihten Bau mit dem erhabenen Zeichen des heiligen Kreuzes zu schmücken.

So wie sich dieses an der Thurmspitze über die Umgebung erhebt, so möge stets der feste Glaube an Gott und die fromme Ergebenheit in Seinen unerforschlichen Willen das höchste Vermächtnis bleiben für Alle, die an dieser Gott geweihten Stätte Kraft und Hilfe suchen im Kampfe der Zeit.

Die Kirchengemeinde Marschendorf umfaßt gegenwärtig: die Gemeinde Marschendorf I. Theil mit 1163 Einwohnern, II. Theil mit 573, III. Theil mit 357, IV. Theil mit 748, Dunkelthal mit 510, Dörrengrund mit 116, Albendorf mit 570, Kolbendorf mit 387, Rehorn mit 243, Schwarzenberg mit 246, zusammen mit 4913 Einwohnern. Gelobet sei Jesus Christus in Ewigkeit! Amen. Marschendorf, den 2. Juli 1898."

Die Volksschule wurde 1886 erbaut, zählt heute 5 Classen und wird von 300 Kindern besucht. 1892 trat die zweiclassige gewerbliche Fortbildungsschule mit 60 Schülern ins Leben. Das Kinderasyl, welches 1893 durch Frau Gräfin Czernin gegründet wurde, steht bereits auf Dunkelthaler Gründen. Die Knabenbürgerschule, 1894 errichtet, zählt 3 Classen mit 72 Schülern. Mit der Volks- und Bürgerschule ist eine gut eingerichtete Suppenanstalt für auswärtswohnende Kinder verbunden. Se. Excellenz Graf Franz Thun, k.k. Statthalter von Böhmen, besuchte die Schule, das Kinderasyl, die Gemeinde- und Bezirksvertretungskanzlei am 18. September 1894 und trug seinen Namen in die aufliegenden Gedenkbücher ein.

Das vom Staate im Jahre 1900 erbaute k.k. Gerichtsgebäude befindet sich an Stelle des vormaligen Lindenplatzes und gereicht der Gemeinde zur Zierde. Das alte, vom Grafen Berthold Aichelburg gegründete Amtsgebäude wurde bei der Hochwasserkatastrophe 1897 zerstört und übergieng in den Besitz des Bürgermeisters Johann Pfluger, welcher aus den Überresten ein Wohnhaus erbauen ließ. Im Gemeindehause sind die Räumlichkeiten der Bezirksvertretung, sowie die des Spar- und Vorschußvereines untergebracht.

Außerdem besitzt Marschendorf IV. Theil eine Holzschleife, eine herrschaftliche Brettsäge, eine Walzenmühle, eine Kalkbrennerei und einige Kalksteinbrüche.

Von wichtigeren Vereinen sind zu nennen: die Gewerbegenossenschaft, die freiwillige Feuerwehr, der Gesangsverein, die Section Marschendorf – Dunkelthal des österreichische Riesengebirgsvereines, der Leseverein, der land- und forstwirtschaftliche Bezirksverein, die Section Marschendorf des bienenwirtschaftlichen Centralvereines, der Armenverein, der Veteranenverein, eine Ortsgruppe des deutschen Schulvereines und eine Ortsgruppe der Deutschen in Ostböhmen mit Volksbibliothek.

Als langjähriger Bürgermeister verdient Karl Scholz genannt zu werden, der die Gemeindeangelegenheiten vom Jahre 1856 bis 1886 leitete. Ihm folgte Johann Pfluger, der zur Hebung des Ortes wesentlich beitrug und anläßlich seiner Verdienste bei der Hochwasserkatastrophe im Jahre 1897 mit dem goldenen Verdienstkreuze ausgezeichnet wurde.

Wichtigere Wege, die von Marschendorf IV. Theil aus führen sind: der Rehornweg von der Platzmühle zur Maxhütte und von hier nach Schatzlar, der Müllerweg über die Jachimhäuser nach Johannisbad, ein Weg über Dunkelthal bei der Annakapelle vorüber auf den aussichtsreichen Spitzberg, die Straße über Nieder-Kolbendorf, Albendorf und über die Landesgrenze nach Oppau in preußisch Schlesien, von welcher einestheils der Eisenweg von der Landesgrenze zum Zollamte in den Grenzbauden führt, andentheils ein Weg, der von Nieder-Kolbendorf durch Ober-Kolbendorf zu den Grenzbauden oder nach Kleinaupa leitet.

Der Sage nach soll ein Fischer, namens Marscha, der erste Ansiedler gewesen sein, der im Jahre 1007 drei kleine Fischerhäuschen für die Forellenfischerei neben der Aupa erbauen ließ, und von welchem der Ort den Namen erhielt.

Als im Jahre 1056 der böhmische Herzog Spitinev die Deutschen aus Böhmen verweisen ließ, flüchtete sich eine größere Anzahl derselben ins Riesengebirge, wovon sich mehrere in Marschendorf ansiedelten, unter denen einige Bergleute aus Meißen waren, die hier nach Gold und Silber gegraben haben sollen. Die Bergleute in Marschendorf waren auf Anordnung des Herrn von Silberstein dahin beschieden worden und sollen gewaltig Aufsehen gemacht haben, wenn sie mit ihren goldenen Knöpfen an den Kleidern in die Altstädter Kirche kamen. Sicher ist, daß der Ort seine Entstehung dem Bergbaue verdankt.

In dem von Ferdinand I. 1541 ausgestellten Lehensbrief wird Marschendorf mit zwei wüsten Hämmern angeführt, woraus hervorgeht, daß der Ort schon vor dieser Zeit Eisenindustrie besaß. Mit den Hämmern scheint der Ort verfallen zu sein; denn Simon Weiner, Lehrer zu Marschendorf, bemerkt in seinen Aufzeichnungen, daß man um das Jahr 1550 Marschendorf hat wiederum zu bauen angefangen. Nach dem Verfalle der Eisenindustrie fand die Bevölkerung einen neuen Erwerbzweig in der Holzflößerei zu Zwecken des Kuttenberger Silberbaues, und es kamen fremde Holzknechte aus den Alpen in das Gebirge, welche Klausen (Wasserbehälter) und Riesen (Gerinne zum Herabgleiten des Holzes von den Bergen) bauten .

In der Marschendorfer Kirchenmatrik findet sich 1662 folgende Eintragung: "den 28. October wardt begraben Wolffgang Wimmer von großer auppa der letzte auslendisch gebohrne holzknecht aws Stewermarck von Außig (Aussee) seiner Herkunft, war altt 100 Jahr."

In Marschendorf war indes wieder ein Eisenhammer entstanden, der 1597 zwei nach Prag bestimmte 4 Ellen lange Kanonenrohre lieferte.

Marschendorf gehörte, wie überhaupt die ganze Aupagegend, ursprünglich als königliches Gut zum Trautenauer Burglehen. In der Mitte des 17. Jahrhundertes wurde Marschendorf zu Schatzlar einbezogen, kam aber 1590 an Trautenau zurück.

Als im Jahre 1599 die Trautenauer Herrschaft an die Stadt verkauft wurde, behielt sich die Krone mehrere Güter vor, zu denen auch Marschendorf mit seiner Umgebung gehörte. Am 21. März 1623 gelangte Marschendorf mit Vorbehalt einiger Wälder durch Kauf an die Gräfin Maria Magdalena Treka von Lipa, geborene von Lobkowitz.

1636 brachte Johann Jakob Dewaggy, Freiherr von Adlersberg, Marschendorf durch Kauf in seinen Besitz und vereinigte es mit Altenbuch und Soor zu einer Herrschaft.

Während der letzten Jahre des 30jährigen Krieges (1634 – 1648) hausten die Schweden in hiesiger Gegend. Marschendorf blieb verschont und nahm sogar viele Flüchtlinge auf, die sich vor den schwedischen Horden ins Gebirge gerettet hatten.

Im Jahre 1701 gelangten die Güter an Berthold Wilhelm Grafen von Waldstein, und sein Enkel, Graf Josef Willibald von Schaffgotsch, vergrößerte den Besitz durch Ankauf eines großen Theiles der einst von der Krone vorbehaltenen Wälder. Fortsetzung siehe, um Widerholung zu vermeiden, im geschichtlichern Theile.


[1] Durch das Gesetz vom 10. Mai 1873, L.-G.-Bl. Nro. 23, wurde die ehemalige Gemeinde Marschendorf in 8 selbstständige Gemeinden eingetheilt, u. zw. In Marschendorf I., II. III. und IV. Theil, Dörrengrund, Dunkelthal, Nieder-Kolbendorf und Schwarzenberg. Bei der früheren Zusammengehörigkeit besorgte in jeder einzelnen Gemeinde ein gewähltes Mitglied des Gesammtausschusses als Ortsvorstand die eigenen Gemeindeangelegenheiten und die Steuereinhebung. Der ehemalige Ortsrichter Franz Reuhs amtierte in dem Hause Nro. 64 in Marschendorf IV. Sein Amtsnachfolger war Josef Reuß, Besitzer der Kirchenschenke. Nach Trennung der Gemeinden wurden im Jahre 1873 als Bürgermeister, beziehungsweise Gemeindevorsteher gewählt: Marschendorf IV. Karl Scholz, Marschendorf III. Zacharias Just, Marschendorf II. Zacharias Jantsch, Marschendorf I. Josef Just, Schwarzenberg Wenzel Hofmann, Dunkelthal Gregor Barth, Dörrengrund Franz Fuckner, Nieder-Kolbendorf Franz Schwantner.
[2] In Anerkennung der großen Verdienste wurde Prospher Piette 1899 von Sr. Majestät mit dem Prädicate "Edler von Rivage" in den Adelstand erhoben.
[3] Österreichischer Riesengebirgsverein
[4] Soor, gehörte ursprünglich zum Trautenauer Burglehen und wurde beim Verkaufe der Herrschaft an die Stadt 1599 von der königlichen Kammer zurückbehalten. Beim Verkaufe gelangte es 1623 an die Gräfin Magdalena Treka von Lipa und wurde 1634 durch Johann Dewaggy von Adelsberg mit Altenbuch vereinigt. Freiherr Dewaggy besaß nach 1623 auch Marschendorf und vereinigte es mit Soor resp. Altenbuch, bis die Herrschaften 1772 getheilt wurden.
[5] Besondere Strenge übte der 1651 installierte Pfarrer M. Johann Görnig gegen die Protestanten. "1652, 13 Monate Marty Wardt begraben Hans Adam zu Nieder-Marschendorf Mit Einer Leich Predigt und alle anderen Ceremonien wie Einem Catholischen Christe gebühret (Weil er der Erste im Kirchspiele gewesen, der Catholisch gestorben) Sindt ihm gehalten und widerfahren Seines alters 77 Jahr."
Widerspenstige wurden nach ihrem Tode "ohne Sang und Klang und ohne Schul" außerhalb des Kirchhofes begraben. So wurden bis 1670 noch 60 Personen beerdigt. Viele entsagten erst auf dem Sterbelager des protestantischen Glaubens.
[6] Diese betrug an Wiesen 3 Joch 22 3/6 ? Klftr., an Äcker 16 Joch 228 2/3 ? Klftr., an Wald 17 Joch 1201 2/3 ? Klftr. (Klafter).
[7] Siehe speraten Abschnitt.

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