Quelle: Jubiläumsschrift: 75 Jahre Zigaretten- und Seidenpapierfabrik P. Piette, 1940

Papierfabrikant Prosper Piette


Forscher und Publizist

Im Dorfe Kogenheim bei Kolmar im Oberelsass lebte gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine alte Papiermacherfamilie, die aus Vielsalben im Luxemburgischen stammte. Bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts, also fast bis in die Zeiten des Beginns der Papiermacherkunst in deutschen Landen, führte dies Geschlecht der Papiermacher seine Tradition zurück. Auch der Gardegeneral des Magazins Jean Louis Piette du Rivage, der mit Napoleons Armeen den fürchterlichen Rückzug von Moskau mitgemacht hatte, und jetzt auf Kogenheim saß und dort seine Besitztümer verwaltete, hatte sich wieder der Papiermacherei zugewandt und im Dorfe Dillingen im Kreise Saarlouis, dem heutigen Saarlautern, eine alte Papiermühle übernommen. Hier in der Dillinger Papiermühle waren seine Söhne Louis und Prosper, der am 13. März 1806 in Straßburg geboren war, zu tüchtigen Papierfachleuten herangewachsen. Sie hatten dem Vater bei seinen Versuchen, die verschiedensten Papiersorten, vom Wertzeichen zum Seidenpapier, vom Pergament zum Löschpapier herzustellen, begeistert geholfen und waren dabei gewesen, als Jean Louis Piette um 1830 zum ersten Male maschinenmäßig Zigarettenpapier fabrizierte.

Das rastlose Vorwärtsdrängen Jean Louis Piettes auf dem Gebiete der Papiererzeugung wurde durch seinen Tod im Jahre 1853 unterbrochen. Seine beiden Söhne Louis und Prosper übernahmen die Fabrik in Dillingen. Prosper Piette war der stille Forscher, ständig bemüht, neue technische Einrichtungen zu schaffen und aus neuen Rohstoffen Papier zu erzeugen. Louis dagegen war ein geschickter Publizist, der in Wort und Schrift die Herstellung des Papieres, seiner Bestandteile und der dazu erforderlichen Einrichtungen auf Grund der Forschungen seines Bruders der Öffentlichkeit zugänglich machte. Eine Reihe von Schriften, die sich alle mit der Herstellung von Papier befassen, ist von ihm herausgegeben worden. 1833 erschien ein Buch unter dem Titel "Handbuch der Papierfabrikation" und wenig später ein zweites Werk "Die Fabrikation des Papieres aus Stroh und vielen anderen Substanzen". Dieses Buch legt Zeugnis ab von dem Forscherfleiß der beiden Brüder Piette, die in einer Zeit, in der der steigende Papierbedarf in immer stärkeren Gegensatz zu den in der Menge beschränkten Rohstofflumpen trat, bestrebt waren, Papier aus den verschiedensten Rohmaterialien wie Heu, Binsen, Brennesseln, Disteln und vielen anderen Faserstoffen herzustellen. Noch heute sind in den erhaltenen Exemplaren des Buches die beigefügten Papierproben in einem vorzüglichen Zustande. Die vielen Versuche der beiden Brüder hatten manche Neuerung in der Papierindustrie zur Folge. Prosper Piette erfand in den Jahren 1833 – 35 die Methode des Kochens der Hadern mit Kalk und Natron und konstruierte 1835 die rotierenden Hadernkochapparate mit Dampf, die den langwierigen Prozess des Faulens der Hadern in gemauerten Gruben überflüssig machten. Im Jahre 1844 verkauften beide Brüder ihre Papierfabrik in Dillingen. Während Louis nach Belgien ging, wo er in Arlon das "Journal des fabricants de papier" herausgab, verlegte Prosper Piette sich auf "Konsultation und Rekonstruktion" von Papierfabriken, bis er schließlich am 01. Mai 1865 die Papierfabrik Kaisermühle in Bubentsch auf 10 Jahre pachtete, um hier Zigarettenpapier in der damals verlangten französischen Qualität herzustellen. Der 0l. Mai 1865 ist somit die Geburtsstunde der Firma Piette.

Als Prosper Piette am 01. Mai 1865 mit der Herstellung von Zigarettenpapier begann, fing die Zigarette erst an, sich in den deutschen Landen ihren Platz neben der Pfeife und Zigarre zu erobern. Es war unter diesen Umständen ein Wagnis, die Papierfabrikation in der Hauptsache auf die Fabrikation von Zigarettenpapier zu stellen. Noch hegte die große Mehrheit der Raucher lebhafte Bedenken gegen die Zigarette. Behauptete man doch, dass das Papier gesundheitsschädliche Wirkungen ausübe. Prosper Piette war bestrebt, das Gegenteil zu beweisen, dass nämlich ein gutes Zigarettenpapier zu reiner Kohlensäure verbrennt, die überdies noch von den mineralischen Zusätzen, die dem Papier beigegeben werden und als Asche zurückbleiben, absorbiert wird. War schon die Fabrikation in bezug auf den Absatz ein Wagnis und zugleich ein Zeichen des Weitblicks, mit dem Prosper Piette die Entwicklung der Zigarette beurteilte, so war die Herstellung eines guten Zigarettenpapiers unter den damaligen Umständen und mit den gegebenen technischen Hilfsmitteln ein Beginnen, das zeigte, wieviel Vertrauen Prosper Piette in sein eigenes Können setzte. Gar mannigfach sind die Anforderungen, die an ein gutes Zigarettenpapier gestellt werden. Nur auf Grund langjähriger Erfahrungen und eingehender Versuche konnte mit Aussicht auf Erfolg ein solches Papier geschaffen werden, und das Geheimnis seiner Herstellung wurde in allen Einzelheiten sorgsam gehütet.

Auf einer 143 cm breiten Papiermaschine erzeugte Prosper Piette in der Kaisermühle täglich 350 kg Zigarettenpapier, von dem der Quadratmeter 20 g wog. Das Papier wurde in Bogen geliefert, deren Größe etwa für 150 Zigaretten ausreichte.

Prosper Piette fabrizierte ein Zigarettenpapier, das wegen seiner Qualität überall guten Absatz fand. Nur er selbst war mit dem Papier noch nicht zufrieden. Er wusste, dass zur Herstellung von Papier nicht nur Wasser, und zwar sehr viel, notwendig ist, sondern dass das Wasser in seinen Bestandteilen einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Beschaffenheit des Papieres ausübt. Alle chemischen Zusätze konnten nicht erreichen, was das Wasser bei der Papierherstellung von Natur aus hervorbrachte. Bei seinen Wanderungen im Riesengebirge entdeckte er die Verschiedenartigkeit der Quellwasser gegenüber dem Wasser der Moldau, von der seine Papierfabrik gespeist wurde. Dazu kam, dass die seit Jahrhunderten blühende Textilindustrie des heutigen Sudetengaus als wichtige Lieferantin der Rohstoffe alle Vorbedingungen für seine Zwecke erfüllte. Der Zufall wollte es, dass in Nieder-Marschendorf, dem heutigen Marschendorf Teil I, an der Ortsgrenze von Freiheit, eine allerdings primitiv eingerichtete Papierfabrik in Konkurs gegangen war und schon einige Jahre stillag. In der fruchtbaren Ebene des Aupatals, das östlich von dem malerischen Rehorngebirge und westlich von dem Forst- und Schwarzenberg eingeschlossen ist, deren Grundgestein aus ausgedehnten Kalklagern besteht und einen Wasserreichtum besitzt, der sich in zahlreichen Gebirgsbächen ins Tal ergießt, fand Prosper Piette das, was er seit langem suchte. Nach kurzen Verhandlungen gelang es ihm, mit den Hauptgläubigern eine Ver­ständigung herbeizuführen. Er erwarb die Papierfabrik für 60 000 österreichische Gulden.

Mit einem Feuereifer, der für seine Arbeitsweise charakteristisch war, ging er an den Aufbau seiner neuen Papierfabrik in Marschendorf. Noch mitten im Schlachtenlärm des Deutsch-Österreichischen Krieges, ehe die Schlacht bei Trautenau am 17. Juni 1866 entschieden war, fand Prosper Piette unerschrocken seinen Weg durch die militärischen Linien von Bubentsch nach Marschendorf, um die Bauarbeiten zu überwachen. Noch am 16. Dezember konnte er die Papiermaschine in Gang setzen. Die Anfangsproduktion betrug 400 kg täglich, eine Menge, die für etwa 8 000 000 Zigaretten ausreichte.

Die Zigarette war in Österreich etwa um 1814, in Deutschland sogar erst um 1862 eingeführt worden und deshalb noch nicht so verbreitet, dass Prosper Piette seine Produktion allein auf den Inlandsabsatz hätte stellen können. Er richtete deshalb sein Augenmerk mehr auf die Länder des Ostens, wo das Zigarettenrauchen schon viel populärer war, und exportierte in der ersten Zeit vor allem nach Indien. Bei der Qualität seines Zigarettenpapieres musste der Absatz schnell wachsen. Schon 1869 wurde eine zweite Papiermaschine mit 2,1 m Arbeitsbreite in Betrieb genommen und die tägliche Produktion auf 1000 kg erhöht.

Prosper Piette hatte sich nicht umsonst schon in seiner Jugend mit allen möglichen Versuchen auf dem Gebiet der Papierfabrikation beschäftigt. Er erstrebte ständig eine Vervollkommnung seines Betriebes, aber auch eine Ergänzung seines Produktionsgebietes. Die Tapetenfabrikation war zu jener Zeit in Österreich völlig unbekannt. Die Tapeten wurden damals aus Deutschland, wo die Fabrikation bereits um 1835 aufgekommen war, eingeführt. Piette errichtete deshalb in Podbaba bei Prag eine Tapetenfabrik, in der er Rollen von etwa 50 cm Breite und 10 bis 11 Meter Länge herstellte, die mit den verschiedensten Blumenmustern bedruckt wurden. Im Jahre 1869 errichtete er auf Grund der Versuche, die er gemeinsam mit seinem Bruder Louis ausgeführt hatte, in Komotau eine Rohstofffabrik, deren Bau und Leitung er seinem ältesten Sohne Prosper jun. übergab. Die Fabrik wurde jedoch durch eine Explosion schon im nächsten Jahre vernichtet und nicht wieder aufgebaut. Seine Hauptaufmerksamkeit blieb aber immer der Zigarettenfabrik in Marschendorf an der Grenze von Freiheit erhalten. Er war noch immer voller Pläne für deren Ausbau, als der Tod den nie ermüdenden Pionier der österreichi­schen Papierfabrikation am 18. Dezember 1872 aus dem Leben riss.

Der Vater des Riesengebirges

Der Name Piette hatte bereits weit über die engen Grenzen des Sudetenlandes hinaus einen guten Klang bekommen. Die Papiere, die die Fabrik in Freiheit verließen, gehörten mit zu den besten Zigarettenpapieren. Alle drei Söhne Prosper des Älteren, Julius, Ludwig und Prosper der Jüngere, sowie der Mann der Tochter Pauline, Franz Holub, waren entschlossen, Ruf und Tradition des Unternehmens zu wahren. Julius und Ludwig Piette leiteten die Fabrik in Bubentsch und Podbaba, während Prosper der Jüngere und Franz Holub am Ausbau des Werkes Freiheit in Marschendorf arbeiteten. Prosper der Jüngere wurde der geistige Leiter und Inspirator der Unternehmungen. Er hatte vom Vater nicht nur die Liebe zur Papiermacherkunst, sondern auch dessen Feuereifer und sein stets waches Verständnis für Neuerungen und Verbesserungen geerbt. Schon im Jahre 1874 überraschten Prosper und Ludwig Piette die Fachwelt mit einer neuen Erfindung, die diesmal nicht auf dem Gebiete des Zigarettenpapiers, sondern des Seidenpapiers lag, dessen Produktion man ebenfalls schon seit einigen Jahren aufgenommen hatte. Es war den Brüdern gelungen, ein Tauchfärbeverfahren zu finden, das es ermöglichte, das Seidenpapier anstatt im Holländer auf der Farbmaschine zu färben. Auf diese Weise wurden so klare und lebhafte Farbtöne erzielt, wie sie im Holländer nicht erreicht werden konnten. Aus dem so gefärbten Seidenpapier entwickelte sich bald ein völlig neuer Industriezweig: die Herstellung von künstlichen Blumen aus Seidenpapier.

Der mit der Industrialisierung zunehmende Schriftverkehr brachte zunächst einen starken Bedarf an Kopierseiden mit sich. Die Piettes trugen auch diesem Bedarf sofort Rechnung und widmeten der Fabrikation von Kopierseiden volle Aufmerksamkeit. Daneben wurde auch Porzellandruckseidenpapier für Glas- und Porzellanfabriken hergestellt. Prosper Piette konstruierte eine neue Maschine, mit deren Hilfe man Nasskrepppapier an Stelle des bisher mit der Hand gefertigten Trockenkrepppapiers herstellen konnte. Mit dieser Maschine konnten Tischläufer für Familienfestlichkeiten und Dekorationszwecke in Restaurants, sowie Papierservietten zu erheblich billigerem Preise hergestellt werden, als es bis dahin mög­lich war. Während die Piettes so auf der einen Seite ihr Produktionsprogramm ständig erweiterten und vervollkommneten, verloren sie keinen Augenblick die ständige Verbesserung ihrer Betriebseinrichtungen und somit die Qualität ihrer Produktion aus dem Auge. Das Kernstück der Produktion blieb in jener Zeit das Zigarettenpapier. Diese Produktion erforderte nicht nur eine ständige Aufmerksamkeit in bezug auf die Geschmackswandlungen, sondern auch eine außerordentliche Vielseitigkeit, denn jede Nation stellt an das Zigarettenpapier besondere Ansprüche.

Allen diesen Sonderwünschen musste auf das sorgfältigste Rechnung getragen werden. Prosper Piette der Jüngere hatte deshalb eine gut ausgebaute Versand-Organisation geschaffen, mit deren Hilfe er stets über die jeweilige Geschmacksrichtung der einzelnen Länder unterrichtet war.

Der gewaltige Aufschwung, den die Zigarettenfabrikation nahm, – der Verbrauch war in Deutschland von 187 Millionen im Jahre 1877 auf 8 Milliarden Zigaretten im Jahre 1910 gestiegen – brachte auch für die Zigarettenpapierfabrik Piette eine ständige Steigerung der Produktion, zumal bis zum Jahre 1906 der deutsche Markt fast ausschließlich von Österreich her mit Zigarettenpapier beliefert wurde.

Im Jahre 1878 erwarb man in Pilsen für 132 000 österreichische Gulden eine Strohpapierfabrik, die unter der Leitung von Julius und Ludwig Piette modernisiert und ausgebaut wurde. Hier stellte man vor allen Dingen feinste Schreibpapiere und bessere Druckpapiere her. Zugleich wurde an dieses Unternehmen eine Zellstofffabrik, die für den eigenen Bedarf arbeitete, angegliedert.

Die Schreibmaschine stellte der Papierindustrie eine neue Aufgabe. Für die Herstellung von Durchschlägen wurde Kohlepapier gebraucht. Auch diesem neuen Gebiet wandte Prosper Piette sofort seine Aufmerksamkeit zu. Für die Herstellung dieses Carbon-Papiers finden dünne, zähe, reißfeste Papiere Verwendung, die je nach der Güte aus Hadern oder Zellulose oder einer Mischung von beiden her­gestellt werden. Ihr Gewicht liegt zwischen 10 und 25 g pro Quadratmeter. Die Mischung von Carbonrohseide, die Piette etwa um die Jahrhundertwende aufnahm, wurde bald einer der wichtigsten Produktionszweige des Unternehmens, und heute zählt das Unternehmen zu den ersten Lieferanten dieser Papierqualität.

Da die Verwendung von Holz in der Papierfabrikation eine immer größere Rolle spielte, erwarb Piette im Dezember 1905 die von Johann Ettrich aus Trautenau in Marschendorf III errichtete Holzschleiferei für 130 000 österreichische Kronen. Im selben Jahre beteiligte man sich an der neu gegründeten Kunstseidenfabrik Silkin, die in Pilsdorf bei Pilnikau erbaut und 1906 in Betrieb genommen wurde. Ebenso übernahm die Firma Piette bei der Umwandlung der Papierfabrik in Olleschau in Mähren in eine Aktiengesellschaft ein Drittel des Aktienkapitals, und auch an der Umgründung der Zigarettenbüchel- und Hülsenfabrik Labin in Wien in eine Aktiengesellschaft war die Firma Piette stark interessiert. Im Jahre 1911 trat die Neusiedler Aktiengesellschaft für Papierfabrikation in Wien an Piette mit dem Vorschlag heran, die Pilsener Fabrik dem Wiener Unternehmen anzugliedern. Nach kurzen Verhandlungen ging am 01. April 1912 Piettes Fabrik in Pilsen, in der neben Schreibpapieren und besseren Sorten Druckpapieren vor allem wegen ihrer Vorzüglichkeit weit bekannte Löschpapiere hergestellt wurden, in das Eigentum der Neusiedler Aktiengesellschaft, Wien, der heutigen "Prager Neusiedler", über. Prosper und Ludwig Piette wurden zu Verwaltungsräten gewählt, während Prospers Sohn, Diplomingenieur Ludwig Piette, nach Beendigung seines Studiums in das Exekutivkomitee berufen wurde.

Im Laufe weniger Jahrzehnte war aus der kleinen Papierfabrik in Freiheit ein bedeutsames Großunternehmen auf dem Gebiete der Zigaretten- und Seidenpapierfabrikation geworden, das eine nicht unbedeutende Rolle in der Industrie des damaligen österreichischen Kaiserreiches spielte. Fast in die ganze Welt wurde das von Piette erzeugte Papier geliefert. In den hauptsächlichsten Exportländern: England, Frankreich, Belgien, Holland, der Schweiz, den nordischen und Ost-Staaten, den Balkanländern, wie Australien, wurden feste Vertretungen geschaffen, um die für die Anpassung der Produktion wichtige Verbindung zwischen Abnehmer und Produzenten herzustellen. Alle diese weitverzweigten Beziehungen zum In- und Ausland und den entferntesten Überseeländern konnten nur dadurch angeknüpft werden, dass eine gleichbleibende, hochwertige Qualität auf den Markt gebracht wurde, und für diese die Tradition des Werkes sowie der Name Piette garantierte. Die Erzeugnisse mit dem Wasserzeichen und der Schutzmarke, der Schwalbe, die die P. P. im Schnabel trägt, genossen den besten Ruf. Auf allen Ausstellungen, an denen sich die Firma beteiligte, wurden ihre Produkte preisgekrönt. In Paris erhielt sie 1878 die Goldene Medaille, in Antwerpen 1885 außer der Goldenen Medaille das Ehrendiplom, in Barcelona 1888 die Medaille mit der Goldkrone und Prosper Piette persönlich das Ritterkreuz des Isabellenordens mit einem Anerkennungsschreiben für seine persönlichen Verdienste. Auf der großen Weltausstellung 1888 wurde der Riesengebirgsfabrik der Grand Prix zugesprochen. Die Auszeichnungen auf drei weiteren Ausstellungen in Paris im Jahre 1889 bewiesen, dass Piette die Qualität der französischen Zigarettenpapiere längst erreicht, wenn nicht überholt hatte. Neue Auszeichnungen folgten im Jahre 1893 auf der Weltausstellung in Chicago, 1901 in Stockholm und 1903 in Osaka, während der Firma im Jahre 1906 bei der Ausstellung in Reichenberg das Staatsehrendiplom als höchste Auszeichnung zuerkannt wurde.

Nach dem Tode seiner Brüder, Julius Piette am 21. November 1911, und Ludwig Piette am 14. August 1918, lag die ganze Last der Verantwortung auf Prosper dem Jüngeren allein. Er hatte in den schweren Kriegszeiten, die alle Verbindungen zu den Auslandsmärkten und zu den ausländischen Rohstoffen zerrissen, nicht verzagt, sondern entschlossen seinen Betrieb umgestellt. Er ließ sich auch durch den unglücklichen Ausgang des Krieges und den Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie nicht erschüttern. Immer wieder fand er einen Weg, dem Betrieb die Rohstoffe und den Absatz zu sichern, wobei er seit dem Ende des Jahres 1919 in seinem Sohn Ludwig einen tatkräftigen Helfer fand.

Die Holzschleiferei in Marschendorf III war im Jahre 1919 völlig niedergebrannt. Sie wurde nicht wieder aufgebaut, sondern das Gefälle des Flusses für die Anlage eines elektrischen Kraftwerkes verwendet, das im Jahre 1921 in Betrieb genommen wurde und die aus Wasserkraft und Dampf bestehende Antriebskraft des Werkes durch elektrische Kraft vermehrte. Ein großes Aufbauprogramm wurde aufgestellt und trotz aller Schwierigkeiten im Laufe der nächsten Jahre mit Zähigkeit durchgeführt. Noch als Achtzigjähriger legte Prosper der Jüngere die Zügel nicht aus der Hand, zog aber als Mitarbeiter den Mann seiner Nichte, Franz Mikuleczky, und seinen Schwiegersohn Karl von Csipkay im Jahre 1926 heran.

Als Prosper Piette, der Unermüdliche, am 01. März 1928 noch inmitten des Aufbauprogrammes starb, schied in ihm ein Mann, dessen Leben nicht nur dem ständigen Aufbau und Ausbau seines Unternehmens, sowie der Entwicklung der Papierindustrie in wichtigen Zweigen überhaupt gegolten hatte, sondern der auch in der Fürsorge für alle seine Mitarbeiter wie für seine neue engere Heimat Vorbildliches geleistet hatte. Seine sozialen Leistungen eilten stets dem Geist der Zeit weit voran. Lange vor der gesetzlichen Einführung sozialer Einrichtungen hatte er für seine Unternehmungen Krankenkassen, Unfall-, Invaliditäts-, Pensions-, Spar- und Vorschusskassen geschaffen, Wohnhäuser für Beamte und Arbeiter auf seine Kosten errichtet, unter Leitung seiner Gattin in einem eigens dazu aufgeführten Gebäude das "Elisabeth-Kinderasyl" mit einem Kindergarten für achtzig und einer Krippe für zwanzig Kinder geschaffen, in dem in erster Linie die Kinder seiner Arbeiter, bald aber auch die der Einwohner von Marschendorf und Freiheit unentgeltlich Aufnahme fanden. Als Robert Kochs Assistent, Professor Emil von Behring, die neue Serum-Therapie gegen die Diphtherie fand, sandte Prosper Piette einige Ärzte auf seine Kosten nach Berlin und Wien, damit sie die neue Heilmethode kennen lernten, und hielt in seinen Unternehmungen jederzeit das Serum in Bereitschaft, das jedermann kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Bei Erkrankungen von Arbeitern und Beamten wurde ohne Rücksicht auf die Dauer der Krankheit der volle Verdienst ausgezahlt.

Prosper Piette war es auch, der der Gemeinde Marschendorf das Grundstück für die Schule stiftete und die der Schulerrichtung entgegenstehenden behördlichen Schwierigkeiten durch die Eröffnung einer Privatschule überwand, in der er schon 1884 einen Handfertigkeitsunterricht einführte, für den er die Lehr- und Lernmittel unentgeltlich zur Verfügung stellte. Unbemittelte begabte Arbeiter seiner Fabrik ließ er auf seine Kosten studieren. Auf seine Initiative wurde im Jahre 1 900 in Marschendorf I eine gewerbliche Fortbildungsschule eröffnet.

"Die Arbeiter benutzen die bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen in ausgiebiger Weise", so hieß es in dem Bericht des k.k. Arbeitsstatistischen Amtes im k.k. Handelsministerium vom 10. September 1900. "Jeder Arbeiter ist sich dessen voll bewusst, dass er stets eine hilfsbereite Hand findet, die ihn vor Not und Ungemach schützt, dass für ihn das Möglichste getan wird, um sein und seiner Familie sittliches, kulturelles und materielles Niveau zu heben, und dass er in politischen und religiösen Dingen frei und ohne Beeinflussung handeln darf. Dieser im Verein mit dem Umstande, dass die Arbeiter gut behandelt werden, übt auf deren Lebenshaltung einen unverkennbaren, ganz hervorragend günstigen und veredelnden Einfluss in jeder Beziehung aus, wofür wohl die Tatsache am besten spricht, dass nicht nur der Wohlstand der Arbeiter ein bedeutender, sondern auch deren physischer und psychischer Zustand ein guter und von Jahr zu Jahr sich bessernder ist. Es ist erfreulich, konstatieren zu können, dass die Arbeiter die Bestrebungen, ihre Lage stets zu verbessern, würdigen und eine unbedingte Anhänglichkeit und Treue an den Tag legen. Beweis hierfür ist der Umstand, dass das Etablissement zahlreiche Arbeiter zählt, die ihm seit dessen Begründung angehören."

Eine schönere Anerkennung seiner Lebensarbeit, als sie dieser trockene Immediatsbericht darstellt, konnte auch die Ernennung Prosper Piettes zum k.k. Kommerzialrat und die Erhebung in den Adelsstand mit dem Prädikat Edler von Rivage durch ein Handschreiben Kaiser Franz Josefs I. vom 30. November 1898 wie das goldene Verdienstkreuz und der Kranz-Josefs-Orden oder die Ehrenbürgerschaft von Marschendorf nicht bringen. Nur die Bevölkerung fand noch ein schöneres Wort der Anerkennung für ihn, als sie ihn den "Vater des Riesengebirges" nannte. Er gehört mit zu den Gründern des Gebirgsvereins für Böhmen. Er finanzierte 1881 die Karte des Riesengebirges, die der Verein herausgab, ebenso wie er für die Mitteilungen "Das Riesengebirge in Wort und Bild" das Papier kostenlos zur Verfügung stellte. Er half bei der Gründung des Museums im Jahre 1883, wie bei der Errichtung von Studentenherbergen. Er stellte die Mittel für die unentgeltliche Verteilung von Skiern in den Gebirgsschulen zur Verfügung.




Das Bronzerelief ist in die Mauer unterhalb der St. Josefskirche von Marschendorf I. an der Straße Marschendorf – Johannisbad eingelassen.
Es stammt vom Bildhauer Emil Schwantner * 27.08.1890 – † 18.12.1956
Das Denkmal wurde vom Deutschen Riesengebirgsverein (DRGV) gestiftet mit der Inschrift:


"Dem Vater des Riesengebirges
Prosper Piette-Rivage
1846 – 1923
Der Deutsche Riesengebirgsverein".


"Überall ist Piette zu finden", rief der Vorsitzende des Riesengebirgsvereins, G. Rotter, auf der Hauptversammlung am 01. Juli 1928 in seiner Gedenkrede aus, "überall ist Piette zu finden, wo es sich um menschenfreundliche Schöpfungen handelt."

Im Großdeutschen Reich

Das Aufbauprogramm ging seiner Vollendung entgegen, als sich die nahende Weltwirtschaftskrise bemerkbar machte; aber der Ruf der Erzeugnisse war durch ihre Qualität in allen Absatzländern so gesichert, dass den Betrieb keine schweren Erschütterungen treffen konnten. In drei Schichten des Tages laufen Holländer, Papiermaschinen, Kalander und Filigrankalander weiter, und wenn auch die Rohstoffbeschaffung manche Schwierigkeiten bereitete, so gelang es doch, diese mit Geschick und Zähigkeit zu überwinden. Die Eingliederung des Sudetengaues in das Großdeutsche Reich erforderte von der Betriebsführung die Lösung neuer Aufgaben in bezug auf die Organisation des Absatzes. Neue Absatzgebiete mussten an Stelle mancher verloren gegangener erobert werden. In gemeinsamer Aufbauarbeit von Betriebsführung und Gefolgschaft, in erneuter energischer Modernisierung des Betriebes und Erweiterung der Sozialeinrichtungen konnten auch diese Aufgaben gelöst werden.

Heute, im Jahre des fünfundsiebzigjährigen Bestehens, arbeiten Betriebsführer, Diplom-Ingenieur Ludwig von Piette-Rivage, Kapitän Mikuleczky und Karl von Csipkay gemeinsam mit der Gefolgschaft, um den Ruf deutscher Qualitätsarbeit zu mehren und das Werk im Sinne des Gründers Prosper sen. und seines Sohnes Prosper jun. zu neuen Erfolgen zu führen.

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