Aus: "Das Riesengebirge in Wort und Bild" Nr. 1 u. 2 (7 u. 8)
Die Jugend der Katastralgemeinde Marschendorf
1. Teil besuchte seit jeher die Volksschule Freiheit. Zwar besaß auch Marschendorf
(III. Teil) seine eigene Schule, allein dieselbe war zu entlegen, als dass sich
die Bewohner von Nieder-Marschendorf dazu verstanden hätten, ihre Kinder dahin
zusenden.
Im Jahre 1839 verlangte Baron Silberstein, der Patron der Freiheiter Schule,
zum Baue eines neuen Schulhauses nicht nur von der Gemeinde Marschendorf I.,
sondern auch von der Marschendorfer Grundherrschaft Leistungen an Baumaterialien,
Handarbeiten und Bezahlung von Handwerkern. Diese Forderung ward auf Grund einer
Commission vom Königgrätzer und Jitschiner Kreisamte abgewiesen und die Einschulung
zur Mutterschule nach Marschendorf beschlossen.
Im Jahre 1840 suchte Marschendorf I. an, die Freiheiter Schule wegen ihrer Nähe
wieder beschicken zu können. Das hohe Gubernium[1] entschied, dass Marschendorf
I. Teil die Kinder nach Marschendorf III. zu schicken hat. Die Gemeinde rekurrierte
bei dem damaligen Landesschef Erzherzog Stephan, doch wurde sie 1844 abgewiesen.
Nun sandten die meisten Eltern ihre Kinder in gar keine Schule und es ward bei
der vor Erscheinen der neuen Schulgesetzte in Schulsachen herrschenden Schlaffheit
möglich, dass die Schüler zwei Jahre ohne jeglichen Unterricht blieben.
Das Patronatsamt von Marschendorf klagte im Einverständnisse mit der Geistlichkeit
einzelne Widerspenstige, welche auch zu Arreststrafen verurteilt wurden, doch
übte diese Maßregel keine Wirkung aus.
Indes begannen sich die Nachteile der herrschenden Zustände immer mehr fühlbar
zu machen und die Einsichtsvolleren drangen auf Abhilfe.
Im Jahre 1846 begab sich eine aus dem Ortsrichter Wenzel Just, dem Hammerwerksbesitzer
Johann Zinecker und dem Wirtschaftsbesitzer Josef Schubert bestehende Deputation
zu Erzherzog Stefan und unterbreitete ihm die Bitte, Marschendorf I. möchte
aus Marschendorf aus- und nach Freiheit eingeschult werden.
Allein erst 1847 setzte es Graf Berthold Aichelburg durch, dass Marschendorf
I. zu Freiheit eingeschult wurde und zwar unter der vertragsmäßigen Bedingung,
"dass bei Baulichkeiten in der Freiheiter Schule alle und jede Auslagen
die Gemeinde Freiheit allein zu leisten habe", was 1849 auch vom hohen
Gubernium bestätigt wurde.
Die Lehrzimmer der Freiheiter Schule waren daselbst in Privathäusern untergebracht,
da das alte Schulgebäude längst baufällig war und endlich 1848 einstürzte.
1862 wurde das alte Spital durch Aufbau eines Stockwerkes zu einer neuen Schule
erweitert. Sonderbarer Weise leistete Marschendorf I. zu diesem Baue bereits
bedeutende Beiträge; man hatte wahrscheinlich die oben erwähnte Urkunde schon
vergessen.
In den Jahren 1859 60 waren in Marschendorf I. von Herrn Eichmann, Röder
& Comp. und Johann Etrich aus Freiheit zwei Papierfabriken erbaut und 1861
in Betrieb gesetzt worden.
Nieder-Marschendorf hatte damals 42 Häuser mit etwa 300 Einwohnern. Der neu
gegründete Industriezweig ließ diese Zahlen rasch wachsen.
Von Jahr zu Jahr ward die Papiererzeugung schwunghafter betrieben, so dass die
Fabrikgebäude nach allen möglichen und unmöglichen Richtungen, in das Flussbett
der Aupa und steile Bergwände empor gereckt werden mussten.
Mit Erweiterung der Fabrikräume hielt die Bevölkerungszunahme gleichen Schritt.
1869 zählte Nieder-Marschendorf 57 Häuser mit 672 Einwohnern, 1880 schon 79
Häuser und 1413 Bewohner.
Mit den durch die Papierindustrie herbeigelockten papierkundigen Arbeitern kamen
selbstverständlich auch kleine Leute, die sämtlich nach Freiheit zur Schule
geschickt wurden, doch reichte dort das Schulhaus bald nicht mehr hin, die große
Kinderanzahl zu fassen; ein Neubau war notwendig geworden.
1864 wurde über das Vermögen des Johann Etrich der Konkurs verhängt und seine
Papierfabrik übernahm Ende 1866 Herr Prosper Piette, ein geborner Elsässer,
Begründer der Firma P. Piette und Vater des gegenwärtigen Besitzers.
In dieser Zeit fiel auch das Erscheinen des neuen segenreichen Schulgesetzes,
das die Entstehung von Schulen und die Entwicklung des Schulwesens so sehr begünstigte.
Das strebsame Nieder-Marschendorf, unter dessen Bewohnern längst der Wunsch
nach einer eigenen Schule erwacht war, hielt den Zeitpunkt für günstig, sich
vom Freiheiter Schulsprengel loszureißen und einen besonderen Schulsprengel
zu bilden.
Infolge eines Sitzungsbeschlusses der Ortsvertretung vom 15. Juli 1872 ward
an den k. k. Bezirksschulrat in Trautenau das wohlbegründete Ansuchen um Errichtung
einer Schule in Marschendorf I. gestellt.
Die 120 schulpflichtigen Kinder besitzende Gemeinde, welche die bedeutende Steuer
von 800 fl. für Schulzwecke zu entrichten hatte, wurde von der Bezirksschulbehörde
wegen Mangel an Geldmitteln und Lehrkräften abgewiesen. Sie gab sich mit dem
Bescheide zufrieden, bis 1874 die zweiklassige Freiheiter Schule um die dritte
Klasse erweitert werden sollte.
Auf eine Ermunterung von Seite des damaligen k.k. Bezirkshauptmannes Herrn Jos.
Konrad hin, fasste die Gemeindevertretung in einer am 14. Jänner 1874 abgehaltenen
Sitzung abermals den Beschluss, um die Errichtung einer eigenen Schule einzuschreiten,
aber auch jetzt wurde sie, trotzdem sie nun das Schulhaus auf ihre Kosten erbaut
hätte, abgewiesen, weil "durch diese beabsichtigte Lostrennung von der
Volksschule zu Freiheit der Gemeinde Freiheit nur Nachteile, der Gemeinde Marschendorf
I. nur zwecklos und mutwillige Lasten ohne jeden Vorteil verursacht würden".
Gegen diesen Bescheid brachte die Gemeinde beim h. k. k. Landesschulrate eine
Beschwerde ein, welche eine kommissionelle Erhebung über die Frage des Vorhandenseins
gesetzlicher Bedingungen, wie sie § 1 des Landes-Schul-Gesetzes vom 19. Feber
1870, betreffend die Errichtung und Erhaltung neuer Schulen, festsetzt, zur
Folge hatte.
Das hierüber am 29. April 1874 aufgenommene Protokoll bestätigt, dass die Entfernung
der entlegensten Häuser Marschendorfs I. von der Freiheiter Schule wirklich
die für die Errichtung einer neuen Schule gesetzlich erforderliche sei und besagt,
dass Marschendorf I. bereits den Baugrund für ein Schulhaus anzukaufen und die
Kosten des Baues durch eine 5jährige Umlage von 20% zu decken beschlossen habe,
ferner, dass die Herren Ortsschulräte Josef Just und Franz Schröter sich verpflichtet
hätten, der Gemeinde einen Betrag von 2000 fl. für den Bau vorzustrecken.
Trotzdem wurde der Rekurs[2]
der Gemeinde abgewiesen, "weil die gesetzlichen
Bedingungen zur Errichtung einer selbstständigen Schule für Marschendorf I.
nicht vorhanden seien und nach § 8 des L.-Sch.-G. vom 19. Feber 1870 die Vermehrung
der Volksschulen nicht auf Kosten der zweckmäßigen Einrichtung und gedeihlichen
Fortführung der notwendigen Schulen geschehen darf".
Dieser Bescheid ist nur dadurch möglich geworden, dass der Leiter der oben erwähnten
Kommission, Bezirksschulratsmitglied B. Frenzel, das aufgenommene Protokoll,
wie später nachgewiesen ward, gar nicht an den Landesschulrat gelangen ließ,
sondern einen geradezu entgegengesetzten Bericht erstatte.
Nun wandte sich die Gemeinde mit ihrer Beschwerde bis an das Ministerium, aber
nur, um auch hier abgewiesen zu werden; dennoch beschloss sie am 20. Feber 1876,
ein Schulhaus zu bauen, in der Voraussetzung, dass sich alle Schwierigkeiten
von selbst heben würden, sobald das Haus da sei. Am 18. April 1876 wurde der
Bau in Angriff genommen.
Ehe dies geschah, ward vom Fabrikbesitzer Herrn Prosper Piette, dem Sohne des
oben Genannten, Freiheit der Antrag gemacht, an den Grenzmarken beider Gemeinden
ein großes gemeinschaftliches Schulhaus zu errichten und darin eine Bürgerschule
unterzubringen. Freiheit wollte allerdings ein neues Schulhaus haben, allein
dieses sollte mitten im Orte stehen, um diesen zu verschönern; so wies es denn
das so vorteilhafte Anerbieten ab und machte damit jede weitere Vereinigung
mit Marschendorf unmöglich.
Bereits am 01. April war ein von 77 Ortsbewohnern unterfertigtes Gesuch bei
der Gemeindevertretung eingelaufen, welches dieselbe zur "Einleitung energischer
Schritte behufs Erlangung der für die hiesige Gemeinde höchst wohltätigen und
gerechten Einrichtung einer eigenen Schule unter Anführung der hierfür sprechenden
Gründe" anging.
Auf dieses hin suchte die Gemeinde am 15. Juli 1876 zum drittenmale um die Errichtung
einer selbstständigen Schule an.
Mittlerweile hatten sich die Verhältnisse dahin geändert, dass das von der Gemeinde
erbaute große Schulhaus, welches nebst 6 Lehrsälen auch die erforderlichen Lehrerwohnungen
enthielt, seiner Vollendendung zuschritt, dennoch sah sich der Landesschulrat
"in Rücksicht auf die in derselben Angelegenheit erflossene hohe Ministerialentscheidung
und da sich mittlerweile die Verhältnisse in keiner Beziehung geändert haben",
nicht in der Lage, auf das Gesuch einzugehen.
Am 13. Oktober 1876 ward von der Ortsvertretung beschlossen, um die Errichtung
einer mit einer fünfklassigen Volksschule verbundenen dreiklassigen Bürgerschule
einzuschreiten, doch scheiterte diese Bestrebung an der Unzugänglichkeit der
im Neubau vorhandenen Lokalitäten.
Als zu Anfang des Jahres 1877 die Ortsinsassen eine zweite Bittschrift bei der
Gemeindevertretung einbrachten, diese möge die Schulangelegenheit auf´s neue
in die Hand nehmen, richtete sie ein viertes Gesuch diesmal sofort an das h.
k.k. Unterrichtsministerium. Das Schriftstück ward von den Herren Josef Just,
Bürgermeister, Prosper Piette und Ludwig Wagner, Fabrikanten, am 20. März 1877
persönlich dem damaligen Unterrichtsminister, J.U.Dr. Karl von Stremayr, überreicht.
Se. Ex. Gab die Zusage, die Angelegenheit genau zu untersuchen und sie, wenn
keine erheblichen Gegengründe vorliegen, einer befriedigenden Lösung zuzuführen.
Am 07. Juni 1877 erschien eine zweite Kommission, welche die Entfernungen mit
der Kette abmaß, die im Winter vorherrschenden ungünstigen, der Gesundheit der
Kinder, die einen solch weiten Weg zur Schule zu machen hatten, schädlichen
Witterungsverhältnisse in Betracht zog und schließlich ein für Marschendorf
günstiges Protokoll abfassen musste.
Da eine Entscheidung lange nicht herab gelangte, begaben sich im August die
oben genannten drei Herren zum Zweitenmale nach Wien, wo sie jedoch einen kühlen
Empfang fanden.
Am 01. Januar 1878 kam endlich der abweisliche Bescheid. Marschendorf
traf dieser neueste Ministerialerlass umso empfindlicher, als gleichzeitig der
h. k.k. Landesschulrat anordnete, an der Schule in Freiheit seien mit 01. Oktober,
spätestens aber mit 01. Januar 1879 zwei neue Klassen zu eröffnen, deren Unterbringung
einen Schulerweiterungsbau unumgänglich notwendig machte und Marschendorf I.,
das für sein Schulhaus das ungeheure Opfer von 20.000 fl. gebracht, hatte die
wenig verlockende Aussicht, 4/5 der Baukosten tragen zu können.
In dieser Not suchte es sein Heil in einer Privatschule. Am 20. März
1878 wurde nämlich der Beschluss gefasst, auf Gemeindekosten eine solche Anstalt
ins Leben zu rufen und zu erhalten, und am 28. März ward um die Bewilligung
zur Errichtung derselben eingeschritten. Eine Verweigerung der Eröffnung war
auf Grund des § 70 des Gesetzes vom 14. Mai 1869 gar nicht vorgesehen.
So wollte Marschendorf für seine Schule noch ein weiteres Opfer bringen. Bedenkt
man, dass die sehr ungleich verteilte Steuerlast zum größten Teile auf den beiden
Großindustriellen Piette und Röder ruhte, so wird es klar, dass nur hier die
leitende Hand der fortschrittlichen Bestrebungen zu suchen ist.
Wir sehen in dem so unentmutigt um das Ziel ringenden Orte jedenfalls ein sehr
seltenes Gegenstück jener zahllosen Gemeinden, die sich mit aller Kraft gegen
der Schule zu bringenden Opfer sträuben und zu Schulbauten oft gesetzlich gezwungen
werden müssen.
Indes zog sich die Entscheidung in die Länge, Freiheit drang ängstlich auf seinen
Schulbau und die Gemeindevertretung von Marschendorf brachte daher am 06. Juli
1878 beim h. k.k. Landesschulrat ein Gesuch um Verlegung der Freiheiter Schule
in das Marschendorfer Schulhaus ein; dadurch sollten die Auslagen für den Bau
der Schule in Freiheit erspart werden.
Beide Gesuche, jenes vom 28. März und das vom 06. Juli, wurden zufolge Sitzungsbeschlusses
vom 29. Oktober 1878 vom Landesschulrat abgewiesen.
Die Nichtzulassung der Privatschule erfolgte auf Grund des § 2 des R.-B.-Sch.-G.
vom 14. Mai 1869, nach welchem jede von einer Gemeinde errichtete Schule eine
öffentliche ist.
Gegen diese Entscheidung wollte die Gemeinde abermals den Rekurs an das h. k.k.
Ministerium ergreifen, doch wurde sie davon durch die Herren Fabrikbesitzer
Piette und Wagner, welche selbst um eine Privatschule einschreiten wollten,
abgehalten.
Dies Einschreiten verzögerte sich jedoch, die für den Rekurs statthafte Frist
verrann und die Unzufriedenheit der Marschendorfer Bevölkerung ob des versäumten
Rekursrechtes wurde laut.
Da entschloss sich Herr Prosper Piette, geleitet von dem Bestreben nicht nur
den schulpflichtigen Kindern seiner eigenen Fabrikarbeiter den Schulbesuch zu
ermöglichen, sondern denselben auch den zahlreichen sonstigen Kindern (bereits
160) der Gemeinde Nieder-Marschendorf samt nächster Umgebung zu erleichtern,
eine vierklassige Privat-Volksschule, an welcher vorerst zwei Klassen eröffnet
werden sollten, auf eigene Kosten zu errichten.
Herr Prosper Piette brachte sein diesbezügliches Gesuch am 03. April 1880 bei
der Gemeindevertretung ein. Diese hatte mit Sitzungsbeschluss vom 14. März 1880
sämtliche Lokalitäten des seit seiner Erbauung (1876) fast leer stehenden Schulhauses
der anzuhoffenden Privatanstalt unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
Bereits am 01. November 1879 hatte Frau Hedwig Piette, Gemahlin des Herrn Prosper
Piette, in dem Schulgebäude einen Privat-Kindergarten verbunden mit einer Bewahranstalt
eröffnet und damit der Arbeiterbevölkerung des Ortes eine unschätzbare Wohltat
erwiesen.
Nun erteilte der hohe k.k. Landesschulrat mit Erlass vom 19. Juli 1880, Z. 14770,
auch noch die Bewilligung zur Errichtung einer dreiklassigen Privatschule nach
dem Normal-Lehrplan vom 15. März 1877, Z. 115 und damit war endlich der
längst gehegte Wunsch der Marschendorfer Bevölkerung, die eigene Schule, dieses
heiß ersehnte Schmerzenskind, Tatsache geworden. Was die ganze Gemeinde nicht
erringen konnte, das erreichte die Opferwilligkeit eines Einzelnen.
Die Vorbereitungen zur Errichtung und Eröffnung der neuen Anstalt mussten nun
schleunigst getroffen werden. Der Gründer und der k.k. Bezirksschulinspektor
für den Trautenauer Bezirk, Herr Franz Schneider, ein eifriger Förderer der
neuen Schule, begaben sich nach Wien, um daselbst die bewährteste Schuleinrichtung
und zahlreiche vorzügliche Lehrmittel anzukaufen.
Bald war die Schule auf´s beste eingerichtet, 214 Schüler hatten sich zur Aufnahme
gemeldet, die drei systemisierten Lehrstellen waren besetzt und der Tag der
Eröffnung rückte heran, allein noch immer war die Bewilligung zu derselben nichts
herab gelangt.
Der Ortsschulrat von Freiheit hatte nämlich noch im letzten Augenblicke gegen
die bereits bewilligte Errichtung den Rekurs an das Ministerium ergriffen und
ehe dieser nicht entschieden war, konnte auch die Eröffnung nicht erfolgen.
Die Entscheidung zu beschleunigen, verfügte sich Herr Prosper Piette zum k.k.
Landesschulrat nach Prag und von da zum Herrn Unterrichtsminister nach Wien.
Am 14. September 1880 ward die Bewilligung erwirkt und sofort vom Gründer telegrafisch
an seine Gemahlin nach Marschendorf berichtet.
Nun konnte die Anstalt eröffnet werden, was unter maßlosen Jubel der Bevölkerung
und glänzenden Festlichkeiten am 14. und 15. September 1880 geschah.
In der Schule fanden nicht nur Kinder von in der Papierfabrik des Herrn Prosper
Piette Bediensteten, sondern die Kinder sämtlicher Ortsbewohner Aufnahme, ja
es wurden, soweit dies tunlich war, auch Kinder aus Nachbargemeinden darin untergebracht.
Der Zudrang war ein solcher, dass noch viele zurückgewiesen werden mussten.
Kein Wunder! War doch der Besuch der Anstalt unentgeltlich und alle Schüler
erhielten nicht nur sämtliche Schulbücher umsonst, sondern es bekamen die Unbemittelten,
deren ja die Mehrzahl ist, auch alle übrigen Schulerfordernisse.
Die Entwicklung der Schule nahm nun trotz vielfacher kleinlicher Anfeindungen
ihren ruhigen Gang.
Der k.k. Bezirksschulinspektor, Herr Franz Schneider, welcher sämtliche Klassen
am 25. und 26. Januar und am 14. Juli 1881 inspizierte, sprach sich über Einrichtung
und Leistungen in der vorteilhaftesten Weise aus.
Im Laufe des Schuljahres 1880 81 wurden außer der Eröffnungs- und Schulfeier
noch mehrere weitere Festlichkeiten begangen, welche in Vorträgen von Liedern
und Gedichten und in Ansprachen des Leiters bestanden.
Am 30. November 1880 fand anlässlich des 100jährigen Gedenktages der Thronbesetzung
Kaiser Josefs II. eine Kaiser-Josef-Feier statt. Die Schüler wurden mit der
Festschrift "Kaiser Josef II., ein Bild seines Lebens und Wirkens von Franz
Fritsch" beteilt und sodann Klassen- und Geschlechterweise fotografisch
aufgenommen. Auch mit diesen Fotografien wurden die besseren Schüler beschenkt.
Am 06. Januar 1881 wurde ein Christbaumfest gefeiert, wobei 70 arme Schüler,
Knaben und Mädchen, mit Kleidungsstücken bedacht wurden.
Auch der 10. Mai 1881 vereinigte aus Anlass der Vermählung des Kronprinzen Erzherzog
Rudolf mit Prinzessin Stephanie von Belgien die Schuljugend zu einer erhebenden
Feier. Zur Belebung des patriotischen Gefühles hatten Bürgermeister Herr Josef
Just und Fotograf Herr A. C. Pitzek, der erstere 10 große in Farbdruck ausgeführte
Portraits des hohen Brautpaares, der zweite 18 Stück Fotografien von Mitgliedern
des allerhöchsten Kaiserhauses der Schule mit der Widmung gespendet, die Bilder
an brave Schüler zu verteilen, welchem Wunsche auch entsprochen wurde.
Noch unternahmen sämtliche Schüler und Schülerinnen der dritte Klasse am 19.
Juni 1881 einen gemeinsamen ganztägigen Ausflug auf den Schwarzenberg, die Mooswiese,
den Forstberg zu den Blaustein und den Harfenstein.
Am 03. Juli 1881 wurde von dem hochwürdigen Herrn Dechant Dr. A. Kopp von Schatzlar
die Religionsprüfung vorgenommen.
Auch der Kindergarten beging alljährlich ein von seiner Gründerin Frau Hedwig
Piette arrangiertes Christbaumfest und eine Schlussfeier.
Bei dem ersten am 23. Dezember 1879 veranstalteten Christbaumfeste wurden 12,
bei dem zweiten am 29. November abgehaltenen 18 bedürftige Zöglinge mit vollständigen
Anzügen, die andern aber mit Strietzeln, Backwerk, Spielsachen usw. beschenkt.
Das Schuljahr 1879 80 schloss im Kindergarten mit dem 15. Juli 1880,
das Schuljahr 1880 81 mit dem 30. Juni 1881. Um den Eltern einen Einblick
das Wesen des Kindergartens zu ermöglichen, veranstaltete die Kindergärtnerin
bei jeder dieser Gelegenheiten eine Ausstellung der Formenarbeiten der Kindergartenzöglinge
und führte mit diesen einige Bewegungsspiele aus. Die den Kindergarten verlassenden
Zöglinge erhielten als Andenken einige daselbst angefertigte Luxus- und Nippsachen
zum Geschenke.
Der Kindergarten wurde vom k.k. Bezirksschulinspektor Herrn Franz Schneider
im Dezember 1879, im Juni 1880 und am 26. Jänner 1881 inspiziert.
Die Privat-Volksschule erfuhr eine wesentliche Bereicherung durch den im Frühjahr
1881 mit bedeutenden Kosten angelegten Muster-Schulgarten. Derselbe zerfällt
in vier Abteilungen: einen mit allen Geräten versehenen Sommerturnplatz (die
Anstalt besitzt auch einen eingerichteten Winterturnsaal), einen Obstgarten
mit Baumschule, einen Ziergarten (Park) und in die landwirtschaftlichen Versuchsfelder
mit dem Blumengarten. Der Garten enthält die einheimischen Laubbäume, 108 Obstbäumchen
(28 Hochstämme, 80 Zwerge), 200 Obststräucher, sodann die wichtigsten Getreide-,
Gemüse-, Futter-, Industrie-, Medizin-, Giftpflanzen ect.
Die Privat-Volksschule wurde zu Beginn des Schuljahres 1881 / 82 (15. September
1881) mit vier Klassen eröffnet.
Die Schülerzahl erfuhr gegen das Vorjahr eine erfreuliche Zunahme, indem am
15. September 1881 282 Zöglinge (gegen 214 bei der Eröffnung im Jahre 1880)
immatrikuliert waren.
Sämtliche Sammlungen der Anstalt, wie Lehrmittel, Lehrer- und Schüler-Bibliothek,
Lehrbücher für die Hand der Schüler ec. Wurden durch die Opferwilligkeit des
Eigentümers, Herrn Prosper Piette, bedeutend vermehrt.
Der Schulgarten erhielt wesentlich neue Einrichtungen.
Im Laufe des Schuljahres ward die Privatschule zweimal inspiziert, und zwar
am 26. und 27. Januar 1882 durch den k.k. Bezirksschulinspektor Herrn Franz
Schneider, am 27. April 1882 durch den k.k. Landesschulinspektor Herrn Franz
Hübner. Die Ergebnisse der Inspektionen waren jedes Mal günstige, indem die
beiden genannten Herren sich über die Leistungen der Anstalt lobend äußerten.
Das wichtigste Resultat des guten Zustandes der Privatanstalt war die Verleihung
des Öffentlichkeitsrechtes an sie. Dasselbe wurde ihr durch den Herrn Unterrichtsminister
mit h. Erlasse vom 22. Juni 1882, Z. 9701, im Sinne des § 72 des Reichsvolksschulgesetzes
vom 14. Mai 1869 erteilt.
Von Festen, welche die Schule im abgelaufenen Schuljahre beging, möge das am
30. Dezember 1881 abgehaltene Christbaumfest hervorgehoben werden, bei welchem
70 arme Schüler und Schülerinnen mit Kleidern und Schuhwerk beschenkt wurden.
Unter den Gaben, welche verschiedene Wohltäter zu diesem Zwecke beisteuerten,
steht die Spende von 100 fl. des Herrn Prosper Piette und Frau Hedwig Piette
obenan; außerdem ergaben ein im neuen Lorenz´schen Hause abgehaltenes Konzert
mit Tombola und ein Konzert im "Kasino" einen Reinertrag von 160 fl.
Der im Vorjahre gegründete "Christbaumfond" konnte infolge dessen
ebenfalls auf 126 fl. erhöht werden.
Auch an der Enthüllungsfeier des vor dem Schulgebäude stehenden Denkmal Kaiser
Josefs II. beteiligte sich die Schuljugend (28. August 1881).
Am 04. Juni 1882 unternahmen die 4. Klasse (Knaben und Mädchen) einen Ausflug
auf die Schneekoppe und zu den Teichen; von da zurück über die Weiße Wiese (Wiesenbaude),
Geiergucke, Richterbauden und Petzer.
Die Zöglinge der 2. und 3. Klasse hatten am 08. Juli einen Ausflug nach Klinge.
Am 09. Juli wurde von dem hochwürdigen Herrn Vikär Dr. A. Kopp, Dechant in Schatzlar,
die Religionsprüfung abgehalten.
Der Kindergarten der Frau Hedwig Piette wurde durch den k.k. Bezirksschulinspektor,
Herrn Franz Schneider am 10. November 1881, 25. Jänner und 2. Juni 1882 inspiziert.
Am 27. April beehrte denselben der k.k. Landesschulinspektor Herr Franz Hübner
in Begleitung des Herrn Bezirkschulinspektors mit seinem Besuche.
Das Christkind war daselbst am 22. Dezember 1881 eingekehrt und hatte durch
die mildtätige Hand der Eigentümer 9 Knaben und 9 Mädchen mit vollständigen
Anzügen, die übrigen Kinder aber mit Spielsachen und Backwerk reich beschenkt.
Am 21. April 1882 wurde auch der 100. Geburtstag Friedrich Fröbels, des Gründers
der Kindergärten, festlich begangen, bei welcher Gelegenheit die Kleinen ebenfalls
nicht leer ausgingen.
[1]Gubernium: Landesbehörde der österreichischen Kronländer mit den Landeshauptmann
an der Spitze
[2]Rekurs: Sammelbegriff für devolutive Rechtsbehelfe, gerichtet an eine andere
Organisationsebene wie Ministerium