von Josef Demuth Marschendorf
"Denn die Elemente hassen
Das Gebild der Menschenhand".
Diese Worte unseres Dichterfürsten
Schiller finden ihre vollste Bestätigung bei dem trostlosen Anblicke,
den uns die Hochwasser-Katastrophe durch die Schreckensnacht vom 29. zum 30.
Juli 1897 vor Augen führt und unserem schönen Gebirge, das sich
bei dem emsigen Fleiße seiner rührigen Bewohner durch jahrelanges
Schaffen und Streben zur schönen Blüte entfaltete und wegen seiner
ungezählten Reize alljährlich das Reiseziel tausender von Naturfreunden
wurde, für viele Jahre den Stempel wilder Verwüstung aufdrückte.
Selbst die ältesten Personen behaupten, dass diese Katastrophe mit den
früheren Ueberschwemmungen, insbesondere mit jenen der Jahre 1858 und
1882, an Fruchtbarkeit in keinen Vergleich zu stellen sei.
Gegen 12 Uhr nachts erreichten die Flüsse Aupa und Elbe durch mehrere
im Gebirge niedergegangene, wolkenbruchartige Regen, den Höhepunkt ihrer
verheerenden Ausbreitung und begruben das Aupa- und Elbethal in einem wildflutenden
See, dem kein Hindernis ein Halt zu bieten vermochte, und auf dessen furchtbar
wogender Oberfläche Trümmer aller Art, Bäume, Holzstämme,
Wohnungseinrichtungsgegenstände, Hausthiere, unmenschliche Leichen u.s.w.
dahinschossen.
Schrecklich war es in der finsteren Nacht zu hören, wie das Dröhnen
und Aechzen der zusammenstürzenden Brücken und Wohnhäuser das
donnerähnliche Brausen des entfesselten Elementes zu übertönen
suchte, in welch schauerliches Getöse sich die gellenden, Mark und Bein
erschütternden Hilferufe jener Unglücklichen mischten, die, vom
Hochwasser plötzlich und unrettbar eingeschlossen, den Tod vor Augen
sahen.
In seiner vollsten Bedeutung erfasst der hilfs- und rathlos
Dastende angesichts des entsetzlichen Vernichtungskampfes die weiteren Worte
Schillers:
"Hoffnungslos
Weicht der Mensch der Götterstärke;
Müßig sieht er seine Werke
Und bewundernd untergehen".
Der grauende Morgen des 30. Juli
beleuchtete mit einem unheimlichen Dämmerlichte fast zaghaft all die
Schreckensscenen, welche die verheerende Fluth in wenig bangen Stunden, die
so manchem zur Ewigkeit wurden , angerichtet hatte.
O trauriges Bild blinder Zerstörungswuth! Ganze Häuserreihen waren
spurlos verschwunden. Nette Wohngebäude glichen Ruinen, in deren Innern
man noch an den Wänden die Bilder hängen sah, andeutend, dass hier
glückliche Familien ihr trautes Heim besaßen. Die Brücken
und Straßen waren zerstört und somit der Verkehr unterbrochen.
Fabriken, wenn nicht ganz zerstört, doch so beschädigt, dass der
Betrieb auf längere Zeit eingestellt werden musste. Ganze Magazine mit
verschiedenen Warenvorräthe waren vernichtet. Gärten und Wiesen
glichen wüsten Steinfeldern, auf welchen sich allerlei Getrümmer
an manchen Stellen bis zur Höhe eines Hauses aufgethürmt hatte,
aus dem Glieder von verstümmelten Leichen grauenhaft hervorragten. Die
Ufermauern der Aupa und Elbe waren gänzlich von den wüthenden Wellen
hinweggespült worden, und beide Flüsse hatten sich an vielen Stellen
ein ganz neues Bett gewühlt. Zum Erbarmen war es zu sehen, wie die in
der Nacht geflüchteten Bewohner mit ihrer etwa geretteten Habe, in Bündel
gebunden, von den Anhöhen zurückkehrten, händeringend an der
Stelle standen, wo einst ihr Häuschen lag, das sie sich von den sauer
erworbenen Sparpfennigen harter Arbeit erbaut oder als theures Erbgut von
ihren Eltern übernommen hatten. Viele der Unglücklichen gab es,
die für sich und ihre hungernden Kinder weder Nahrung noch Kleidung besaßen
und als vor noch wenig Stunden wohlhabende Bürger, jetzt auf das Mitleid
des Nächsten angewiesen sind. Der durch die Ueberschwemmung verursachte
Schade ist unberechenbar, und im nachstehenden kann nur der Bestimmung dieser
Blätter entsprechend in kurzen Zügen der Umfang der entsetzlichen
Verwüstungen angedeutet werden, welche das wüthende Element anrichtete.
Im Riesengrunde, der von
allen Touristen wegen seiner großartigen Schönheit und Majestät
besucht wurde, heute aber kaum wieder erkannt werden dürfte, hat die
Flut die ganze Thalsohle eingenommen, gänzlich mit Steinböcken überschwemmt
und den schönen Wald zum großen Theile vernichtet.
Die Aupa hat sich einen neuen Lauf gebahnt, der eine Breite von 60 bis 70
m/ erreicht und die Wege vollständig zerriss. Die von den Abhängen
herabstürzenden Wildbäche haben alle Wege mit fortgerissen und das
Erdreich stellenweise fortgeführt.
Von der Rose gieng eine fürchterliche Erdlawine von 1000 m/ Länge
und 80 m/ Breite nieder, welche 2 Wohnhäuser mit 9 Menschen begrub, wovon
nur 3 gerettet werden konnten.
Außerdem giengen von der Rose noch 2, vom Brunnberge 3 und von der
Koppe 1 Erdlawine nieder.
In Petzer wurde ein Haus ganz mitgenommen, wobei ein Menschenleben zugrunde gieng. Die neue Straße nach Groß-Aupa ist fast gänzlich zerstört.
In Groß-Aupa selbst wurden die herrliche Fluren im Thale mit Steingeröll bedeckt, die Brücken und Wasserwehre fortgerissen, 7 Häuser hinweggeschwemmt, mehrere Wohngebäude arg beschädigt, die Holzschleifen in ihrem Betriebe gestört, die Holzvorräthe fortgeschwemmt und die Bezirksstraße theilweise zerklüftet, so dass der Wagenverkehr unterbrochen werden musste.
In Klein-Aupa hat die kleine Aupa ihr Zerstörungswerk insbesondere an der in diesen Ort führenden Straße ausgeübt, welche größtentheils zerstört wurde. Die Thalsohle ist mit Steingeröll dicht bedeckt.
In Dunkelthal wurde die Wehranlage der Dixischen Fabrik zertrümmert und die Wasserleitung beschädigt. Von der Glasfabrik der Firma G. und A. Steinbrecher sieht man nur noch einige Ruinen. Mehrere Häuser wurden von den Fluten unterwaschen und die Straße gänzlich zerrissen.
Marschendorf IV. Theil bietet ein trauriges Bild wilder Verwüstung.
Die Czerninsche Brettsäge mit etwa 3000 Klötzern ist spurlos verschwunden.
Der Marktplatz bildet jetzt das steinige Gerinne der wüthenden Flut,
auf welchem das Gerichtsgebäude als Ruine steht. Die Bezirksbrücke
und 11 Wohnhäuser (darunter das des Bürgermeisters) wurden spurlos
fortgeschwemmt, die Holzschleife des Herrn J. A. Fiebiger gänzlich zerstört,
13 Gebäude in argster Weise beschädigt und Gärten und Wiesen
in Steinfelder verwandelt.
Aus dem Gerichtsgebäude, wo sich auch das k. k. Steueramt befand, hat
die Flut Acten und Bücher, sowie 3 eiserne Cassen mit 164 000 Fl. An
Waisen-, Depositen- und Steuergeldern mitgerissen. 4 Personen fielen der Katastrophe
zum Opfer.
In Marschendorf III. Theil wurde das Klärhaus sammt dem Teiche der Firma Gustav Roeder hinweggeschwemmt und die Wasserleitung beschädigt. Ein Wohnhaus wurde ganz fortgerissen, einige unterwaschen.
In Marschendorf II. Theil zerstörte die Flut die Beziksstraße sammt Brücken. 8 Wohngebäude wurden spurlos fortgeschwemmt und mehrere in arger Weise beschädigt. Viele Gärten und Wiesen sind zerstört. 3 Menschen verloren das Leben. 4 Personen wurden unter Lebensgefahr durch den Wirtschaftsbesitzer Wenzel Schwantner gerettet.
In Marschendorf I. Theil ist die Straße sammt Brücken gänzlich verschwunden. 3 Häuser wurden zerstört. In dem fortgeschwemmten Wohnhause Nr. 45 (gehörig Herrn Breiter) fielen den Fluten 17 Menschen zum Opfer, die sich unter beständigem Hilferufen bis in das oberste Dachstübchen geflüchtet hatten, wo ihr letztes Flehen zu Gott durch ein schauerliches Krachen des zusammenstürzenden Hauses ein schreckliches Ende fand.