Entnommen: "Heimat." Beilage des "Volksbote", Trautenau; Jahrgang 1925, Seite 168

Kirchweih

Von J. Sieber, Marschendorf I.

Ist dass Dörflein noch so klein, einmal im Jahre muß Kirchweih sein, heißt es in einem alten Sprichwort

Der Brauch, alljährlich eine Feier zur Erinnerung an die Einweihung einer Kirche zu begehen, ist sehr alt. Die erste derartige Feier soll (alten Ueberlieferungen nach) die Einweihung des von Kaiser Konstantin an der Stelle des hl. Grabes errichteten Urbaues der Grabeskirche in Jerusalem gewesen sein, welche im Jahre 335 stattfand. Von dieser Zeit an wurde es dann nach und nach allgemeiner Brauch, die jährliche Gedächtnisfeier der Kircheneinweihung zu begehen. Das Kirchweihfest soll ein Dankfest sein für die im Gotteshause erlangten Wohltaten und Gnadengaben. Später wurde es auch als Erntedankfest begangen, um Gott zu danken für den Erntesegen. In manchen Gegendenbestand früher und besteht wohl zum Teil auch heute noch der schöne Brauch, am Kirchweihmontag für die Verstorbenen der einzelnen eingepfarrten Gemeinden des Kirchsprengels eine Seelenmesse abzuhalten, welcher aus jedem Hause der betreffenden Gemeinde wenigstens eine Person beiwohnt.

Von allem Anfange an war die Kirchweihfeier mit viel weltlichen Lustbarkeiten und Freunden verbunden. Daß die Kirchweihfreuden öfters in Unrechtmäßigkeit und lange Dauer ausarten, ist wohl leicht begreiflich und mag wohl Ursache gewesen sein, daß schon Kaiser Karl V. im 16. Jahrhunderte durch strenge Verordnungen dem Missbrauche steuerte. Aus jüngerer zeit wissen wir (und es ist heute üblich), daß besonders im Dorfwirtshause Sonntag abends die Kirmesfeier abgehalten wird, wo sich hauptsächlich die Jugend am Tanze vergnügt. Montag abends ging der Bauer mit der Bäuerin zum Tanze, denn auch Fröhlichkeit muß sein nach so vielen Tagen harter Arbeit. An diesem Abend kamen die Musiker auch auf ihre Rechnung und er war ihnen der liebste. Jeder Bauer legte einen Gulden auf den Tisch und mancher wohlhabende auch zwei. Es dauerte diese Lustbarkeit nicht allzu lange und war meistens recht gemütlich.

Zur Kirchweih werden auch seit jeher Verwandte, Bekannte und Freunde geladen, denn geteilte Freude ist doppelte Freude und so wird gemeinsam das reichliche Festmahle und besonders den obligatorischen Kirmeskuchen fleißig zugesprochen. Mancherorts findet noch am nächstfolgenden Sonntag eine Nachfeier die "kleine Kirmes", statt, wo das Jungvolk abermals dem Tanze huldigt. Da sich wohl in der Erhaltung der Kirchweihfeste auch Unregelmäßigkeiten ergaben, so wurden diese von Staatswegen geregelt und festgesetzt. Einer alten Urkunde nach wurde beispielweise für das Kirchspiel Marschendorf die Kirchweihen wie wörtlich folgt im Jahre 1750 vom Herschaftsamte festgesetzt:

13. September: Rehorn und Quinta.

12. September: Oberkleinaupa

19. Oktober: Marschendorf 4. Teil und Oberkolbendorf.

26. Oktober: Marschendorf 3. Teil und Kleinaupaniederteil.

2. November: Marschendorf 2. Teil, Großaupa 2. Teil und Dörrengrund.

9. November: Marschendorf 1. Teil, Schwarzenberg und Großaupa 1. Teil.

16. November: Dunkelthal, Oberalbendorf und Niederkolben.

23. November: Albendorf, Nieder- und Großaupa 3. Teil.

Unverständlich erscheint es, daß diese Kirchweih mit Ausnahme einer einzigen, nach unserer heutigen Datumsschreibung, auf die Montage fallen, eine gar auf den Samstag trifft. Später wurde für manche Länder ein einziges Kirchweihfest am 3. Sonntage im Oktober angeordnet. Man scheint sich aber nicht allzu lange an diese Vorschrift gehalten zu haben, denn schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts finden wir wieder den alten Brauch, welcher auch bis heute größtenteils in Uebung geblieben ist. Manche gute und schöne Sitte ist bei dem Kirchweih im Laufe der Zeit leider außer Uebung gekommen das Materielle aber, die obligaten Schmauserei und Lustbarkeiten sind geblieben, denn auch hier gilt das Sprichwort: "Undank ist der Welt Lohn"!.

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