Von J. Sieber, Marschendorf I.
Ist dass Dörflein noch so klein, einmal im Jahre muß Kirchweih sein, heißt es in einem alten Sprichwort
Der Brauch, alljährlich 
  eine Feier zur Erinnerung an die Einweihung einer Kirche zu begehen, ist sehr 
  alt. Die erste derartige Feier soll (alten Ueberlieferungen nach) die Einweihung 
  des von Kaiser Konstantin an der Stelle des hl. Grabes errichteten Urbaues der 
  Grabeskirche in Jerusalem gewesen sein, welche im Jahre 335 stattfand. Von dieser 
  Zeit an wurde es dann nach und nach allgemeiner Brauch, die jährliche Gedächtnisfeier 
  der Kircheneinweihung zu begehen. Das Kirchweihfest soll ein Dankfest sein für 
  die im Gotteshause erlangten Wohltaten und Gnadengaben. Später wurde es auch 
  als Erntedankfest begangen, um Gott zu danken für den Erntesegen. In manchen 
  Gegendenbestand früher und besteht wohl zum Teil auch heute noch der schöne 
  Brauch, am Kirchweihmontag für die Verstorbenen der einzelnen eingepfarrten 
  Gemeinden des Kirchsprengels eine Seelenmesse abzuhalten, welcher aus jedem 
  Hause der betreffenden Gemeinde wenigstens eine Person beiwohnt.
  
  Von allem Anfange an war die Kirchweihfeier mit viel weltlichen Lustbarkeiten 
  und Freunden verbunden. Daß die Kirchweihfreuden öfters in Unrechtmäßigkeit 
  und lange Dauer ausarten, ist wohl leicht begreiflich und mag wohl Ursache gewesen 
  sein, daß schon Kaiser Karl V. im 16. Jahrhunderte durch strenge Verordnungen 
  dem Missbrauche steuerte. Aus jüngerer zeit wissen wir (und es ist heute üblich), 
  daß besonders im Dorfwirtshause Sonntag abends die Kirmesfeier abgehalten wird, 
  wo sich hauptsächlich die Jugend am Tanze vergnügt. Montag abends ging der Bauer 
  mit der Bäuerin zum Tanze, denn auch Fröhlichkeit muß sein nach so vielen Tagen 
  harter Arbeit. An diesem Abend kamen die Musiker auch auf ihre Rechnung und 
  er war ihnen der liebste. Jeder Bauer legte einen Gulden auf den Tisch und mancher 
  wohlhabende auch zwei. Es dauerte diese Lustbarkeit nicht allzu lange und war 
  meistens recht gemütlich.
  
  Zur Kirchweih werden auch seit jeher Verwandte, Bekannte und Freunde geladen, 
  denn geteilte Freude ist doppelte Freude und so wird gemeinsam das reichliche 
  Festmahle und besonders den obligatorischen Kirmeskuchen fleißig zugesprochen. 
  Mancherorts findet noch am nächstfolgenden Sonntag eine Nachfeier die "kleine 
  Kirmes", statt, wo das Jungvolk abermals dem Tanze huldigt. Da sich wohl 
  in der Erhaltung der Kirchweihfeste auch Unregelmäßigkeiten ergaben, so wurden 
  diese von Staatswegen geregelt und festgesetzt. Einer alten Urkunde nach wurde 
  beispielweise für das Kirchspiel Marschendorf die Kirchweihen wie wörtlich folgt 
  im Jahre 1750 vom Herschaftsamte festgesetzt:
13. September: Rehorn 
  und Quinta.
  
  12. September: Oberkleinaupa
  
  19. Oktober: Marschendorf 4. Teil und Oberkolbendorf. 
  
  26. Oktober: Marschendorf 3. Teil und Kleinaupaniederteil.
  
  2. November: Marschendorf 2. Teil, Großaupa 2. Teil und Dörrengrund.
  
  9. November: Marschendorf 1. Teil, Schwarzenberg und Großaupa 1. Teil.
  
  16. November: Dunkelthal, Oberalbendorf und Niederkolben.
  
  23. November: Albendorf, Nieder- und Großaupa 3. Teil.
Unverständlich erscheint es, daß diese Kirchweih mit Ausnahme einer einzigen, nach unserer heutigen Datumsschreibung, auf die Montage fallen, eine gar auf den Samstag trifft. Später wurde für manche Länder ein einziges Kirchweihfest am 3. Sonntage im Oktober angeordnet. Man scheint sich aber nicht allzu lange an diese Vorschrift gehalten zu haben, denn schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts finden wir wieder den alten Brauch, welcher auch bis heute größtenteils in Uebung geblieben ist. Manche gute und schöne Sitte ist bei dem Kirchweih im Laufe der Zeit leider außer Uebung gekommen das Materielle aber, die obligaten Schmauserei und Lustbarkeiten sind geblieben, denn auch hier gilt das Sprichwort: "Undank ist der Welt Lohn"!.