Entnommen: aus meiner Reskription: "Gedenkbuch der Gemeinde Marschendorf IV. Teil"

Erwerbzweige – Landwirte

Die nachstehenden Texte wurden im Original übernommen!

Obzwar Bodenverhältnisse, Höhenlage und Klima für einen ertragreichen Feldbau ungünstig sind, und unsere Ahnen erst im Schweiße jahrelanger, harter Arbeit ihre Ackerböden der Natur und den Berghängen abgerungen werden musste, so muss dennoch angenommen werden, dass in frühesten Jahren fast ausschließlich Land- und Forstwirtschaft den an das Leben wenig Abforderungen stehenden Gebirgsbauern nährte.

Wer daher den Feldrain oder die mit Gesteinswällen ehedem begrenzten Besitze betrachtet, muss bekennen, dass diese kulturbringenden und kulturtragenden Ansiedler, für sich und ihre Nachkommen ein heiliges Recht auf diese, mit schwerer Väterhand gerodete Scholle haben.

Ihr habt ja euren Acker
Nicht durch Gewalt und Trug,
Nein, ihr erwarbt ihn wacker
Mit Spaten, Axt und Plug.

In beschwerlichen Fleißes liefert der seichtgründiger, sandiger Boden, dessen Feuchtboden oft noch durch Regengüsse von den Berglehnen weggeschwemmt wird, nur wenig Ertrag. Namentlich in der Vorkriegszeit waren die Erzeugnisse des Ackerbaues durch Produkte gesegneterer Landstriche so entwertet, daß sich ihr Anbau kaum lohnte. Diese Tatsache dürfte wohl auch dafür mitbestimmend sein, dass nur der erbarmsässige Bauer seiner Vaterscholle treu bleibt indessen auf anderen Höfen die Besitzer oft rasch nacheinander wechselten.

In den Jahren der Nachkriegszeit machte sich aber der Mangel an Produktion der Landwirtschaft und Viehzucht wieder bemerkbar und die Wichtigkeit der Landwirtschaft wurde aufs neue begründet.

Hauptfrüchte des Ackerbaues sind:
Sommer- und Winterkorn, besonders auch der auf weniger gutem Boden gedeihende Hafer und die Kartoffel.

Der Getreidebau deckt nur zur Not den Eigenbedarf, so dass selbst die Baudenwirte größtenteils genötigt sind das Brot zu kaufen. Der Obst- und Gemüsebau ist bedeutungslos und wird der Bedarf von Bauern des Vorlandes gedeckt, welche gewöhnlich in des Sonntags Frühe mit ihren Fuhrwerken kommen und ihre Erzeugnisse abzusetzen suchen.

Hülsenfrüchte werden nur als Futterpflanzen angebaut.

Der Flachsbau ist sehr zurückgegangen, dass er ehedem von Bedeutung war beweißt die Errichtung der Flachsgarnspinnerei in Dunkeltal und die Tatsache, dass bei den alten Bauerngehöften noch ein eigens "Brechhaisla" bestand.

Der größte Teil des Ackerlandes wird mit Klee und anderen Futterpflanzen bebaut. Die Futterrübe (Runkel) dient als Viehfutter. Der Obstbau ist wie schon betont wurde, mit Rücksicht auf die Höfenlage und das Klima des Ortes unbedeutend. Die allgemeinsten Sorten sind Kirschen, Äpfel, Birnen. Da aber, wie aus der Übersicht auf Seite 239 zu ersehen ist, ihre Blütezeit zumeist in die Monate Mai – Juni fällt, erliegt ihre Blütenpracht nicht selten den Nachtfrösten und den Eismännern.

Aus dem im Jahre 1800 erlassenen Patent ist zu ersehen, dass die Herrschaft bestrebt war, den Obstbau zu heben. In diesem Patente werden alle Brautleute verpflichtet bei ihrer Verehelichung zwei Obstbäumchen zu pflanzen. Obzwar der Ortsrichter "bei Leibesstrafe" verpflichtet war den Anbau zu überwachen, so scheint diese Bestimmung doch bald außer Übung gekommen zu sein.

Von den 451 ha 75 a der Gemeinde entfielen im Jahre 1930:

auf Wald:
ha
a
Ackerboden:
ha
a
Wiese und Garten:
ha
a
Hutweide: 
ha
a
Hausgärten:
ha
a
Bebaute Fläche: 
ha
a

(Anmerkung: Auch im Original wurden keine Zahlen eingefügt.)

Die Viehzucht ist durch die ärmlichen Verhältnisse mitbedingt Das Rind wird wegen des Milchnutzens gezogen. Ferner die Ziege, die Kuh der Armen genannt. Um das Jahr 1750 – 1800 waren auf der Berglehne links des Kolbenbaches größere Gemeinschaftsweiden der Bauern angelegt worden, welche fast ausschließlich Ziegenweidegelände waren. Aus dieser Zeit stammt auch der Name Ziegenseite. Das Pferd dient hauptsächlich als Gehilfe des Menschen bei der Feldarbeit, im Verkehr ist es durch die Kraftfahrzeuge verdrängt worden. Das Schwein, auch dieses wird nur jung angekauft und wegen des Fleisches groß gezogen. Die Schafzucht wurde ehemals betrieben, auf der Hammerwirtschaft und Tippeltwirtschaft waren bis zur Jahrhundertwende noch Schafstelle vorhanden.

Von Geflügel seien das  Haushuhn, die Taube, vereinzelt auch Gänse und Enten genannt.

Mit der Bienenzucht befassten sich gegenwärtig 13 Imker – die Zahl der Bienenvölker ist ein ständigem Wachsen begriffen und beträgt gegenwärtig –. Eine systematische Kaninchenzucht hat sich hierorts noch nicht eingebürgert, doch war diese während der Kriegsjahre wegen der allgemeinen Mangels an Fleisch nicht unbedeutend.

Im Jahre 1990 zählte immer man Hierorts:

Pferde
Stück
Rinder
Stück
Ziegen
Stück
Geflügel
Stück

(Anmerkung: Auch im Original wurden keine Zahlen eingefügt.)

Wenn sich auch das Riesengebirge in Bezug auf Höhe und Flächenausdehnung, wie dem Charakter seiner Abhänge mit den Alpen bei weiten nicht messen können, so hat es doch in so manchen Punkten eine Ähnlichkeit mit den Alpen. Gleich diesen, lassen sich auch im Riesengebirge 3 Zonen unterscheiden:

Die Talregion bis zu 900 m Höhe, hier gleichzeitig auch die oberste Grenze des Getreidebaues. Die über die Grenze des Getreidebaues reichende Waldregion oder das Gehänge bis 1200 m Höhe mit vorherrschender Wald- und Graslandschaft.

Die Bergregion, dass sind die höchsten Teile des Gebirgsrückens mit über 1200 m Seehöhe.

Entsteigt ein Tourist in Freiheit dem Eisenbahnzuge um an der Aupa aufwärts wandernd unseren Bergen einen Besuch abzustatten, so wird – im Gegensatz zu den Alpen – seine Aufmerksamkeit noch geraume Zeit von den Industrieanlagen im Anspruch genommen ehe er eintritt in die erhabene Stille der eigentlichen Gebirgswelt, der Talregion. Gleich den Klammen der Alpen stellen sich ihm enge, tiefe Talschluchten entgegen, Täler, die neben dem ungestüm daherrauschenden Flüsse kaum noch Platz bieten für die in zahlreichen Krümmungen dahinführende Straße. Nur an den Stellen der etwas verbreiterten Talsohle ist Raum für menschliche Siedlungen, die aber auch da bergan streben und in zerstreut liegenden Häusergruppen die Talwände und Berghalden einnehmen, wo sie in ihrer malerischen Lage, zwischen üppigen Grasgärten und dunklen Wäldern, ein recht anmutiges Bild darstellen. Das sind mehere charakterischtischen Alpendörfer die ein Bereiche der Domäne Marschendorf am häufigsten sind. Jahrelanger Mühe hat es gebraucht, das um die Baude gerodete Fleckchen Erde gegen Abschwemmung der ohnedies dünnen Erdkrume zu sichern. Dieser Baudencharakter trift hierorts noch nicht so gewaltig zum Vorschein, im benachbarten Dunkeltal und Kolbendorf ist jedoch diese Siedlungsart bereits von Bedeutung.

Wie allerorts, so ist man auch in der Landwirtschaft zu einer Rationalisierung geschritten. Der in früheren Zeiten verwendete Räderpflug (Ackerpflug) ist durch Verbesserung, den Schwenker (Ruchadla) verdrängt worden. Von anderen Pflugarten waren außerdem noch der Schröpfer in Verwendung. Seit neuerer Zeit bedient man sich an Stelle dessen des Kultivators.

Zum Behäufeln der Kartoffeln dient seit altersher der Haufelpflug (Schlüffel). Von Eggenarten stehen in Verwendung:
Die gewöhnliche Egge mit Holzbalken und geraden Zinken, ferner die mit gebogenen Zinken versehene Geieregge. Auch die Walze, zumeist zweiteilig wird noch gebraucht.

In neuerer Zeit sind auch Sähmaschinen und Mähmaschinen in Verwendung, sonst wird das Mähen des Grases und Getreides durch die Gras- und Getreidesense besorgt. Die Sichel ist heute soviel wie unbekannt.

Das Dreschen, wie es seit altersher üblich war, mit den Flegeln, geschieht heute nur dann, wenn man langes Stroh zur Herstellung von Seilen benötigt. Ansonsten steht die Dreschmaschine mit Göppelantrieb in allgemeiner Verwendung, oft ist auch schon ein Elektromotor treibende Kraft. Zum Sondern und Reinigen der Getreidekörner dient die "Pläder". Die Wurfschaufel ist außer Dienst gestellt.

Das Häcksel (Siede) wird gegenwärtig mit den an einem Schwungrade befestigten S-förmigen Messern geschnitten, der Häckselschneidmaschine ähnlich ist die zum Zerkleinern der Futterrüben.

Die Zentrifuge zum Abrahmen der Sahne ist durchaus keine Seltenheit mehr.

Die altehrwürdigen Geräte der Flachsindustrie haben nur mehr Altertumswert und sind in die Rumpelkammer gewandert, dagegen ist Hacke, Spaten und Rechen noch in altüblichen Gebräuche.

Die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse haben im Laufe der Zeit große Schwankungen erfahren. In der Kriegszeit erreichten sie infolge des allgemeinen Nahrungsmittelmangels eine ungewöhnliche Höhe und der Bauernstand war der beneidenswerteste im Lande. Doch auch jetzt in der Nachkriegszeit betragen die Preise der Landwirtschaftserzeugnisse noch immer das zehnfache der Vorkriegszeit.

Diese Teuerung hat ihre tiefe Ursache in einer Geldumverteilung, andererseits aber auch in den zum Nutzen der Landwirtschaft vielfachen Schutzzölle.

Die auf umstehender Seite dargestellte Übersicht der Preise, soll kommenden Geschlechtern Beweis für den Preiswandel der landwirtschaftlichen Erzeugnisse im Laufe weniger Jahre sein.

Preisübersicht:

 

1914

1918

1930

1933

Milch

0,20 K

 

2,00 K

160 K

Butter

3,25 K

30,00 K

 

16,00 K

Eier 1 Stück

0,10 K

1,00 K

 

0,70 K

Korn 100 kg

14 – 16 K

 
 

80 – 90 K

Hafer 100 kg

8 – 11 K

300,00 K

 

50 – 60 K

Kartoffeln 100 kg

4 – 5 K

 
 

30 – 35 K

Weizen 100 kg

 
 
 
 

Heu 100 kg

7 – 8 K

60,00 K

 

30 – 42 K

Rindfleisch 1 kg

1,40 K

7,00 K

 

10 – 12 K

Kalbsfleisch 1 kg

1,80 K

7,– K

 

14 – 18 K

Schweinefleisch 1 kg

2,00 K

30,00 K

 

10 – 12 K

Holz weiches 1 cbm

 
 
 
 

Holz hartes 1 cbm

 
 
 
 

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass sich bei der im Jahre 1930 erfolgten Volkszählung von den Einwohnern der Gemeinde Marschendorf IV zum Berufsstande der Land- und Gastwirte bekannten.

Von größerer Bedeutung als die Landwirtschaft, sind für unsere Gemeinde Industrie und Gewerbe und das Wohl und Wehe eines großen Teiles der Bevölkerung, unmittelbar ab. Da der politische Bezirk Trautenau, hinsichtlich seiner Industrie und der Mannigfaltigkeit seiner Unternehmen unter den gewerbereichsten Gegenden des cechoslowakisches Staatsgebietes eine der ersten Stellen einnimmt, wollen wir rückblickend, der Entwicklung der einzelnen Industriezweige und Gewerbeunternehmen, unter besonderer Rücksichtsnahme auf den Heimatort und seine nächste Umgebung die Aufmerksamkeit zuwenden.

Es ist kennzeichnend für die Charakteranlagen des erbansässigen Riesengebirglers., dass die ganze Gegend bis in die jüngste Zeit an industriellen Unternehmungen mit fabriksmäßigen Betrieben geradezu arm war, obwohl billige Menschen- und Wasserkraft, billige Rohprodukte und die seit einer Jahrhundert aufgedeckten Kohlenflötze – die Vorbedingung jeder Großindustrie – in nächster Nähe und ausgiebiger Menge vorhanden waren. Erst die Riesenfortschritte im vorigen Jahrhundert waren imstande, das Versäumte in reichlichem Maße nachzuholen.

Der Übersicht wegen sollen die einzelnen Zweige einer gereiften Reihenfolge nach vorgenommen und mit Zugrundelegung statistischer und geschichtlicher Daten, ihre Entwicklung behandelt werden.

Wohl keine der Industrien des Riesengebirges ist mit dessen Kultur so eng verbunden, als die Leinenindustrie. Sie dürfte mit der Bevölkerung des Gebirges von gleichen Alter sein. Spinnen und Weben war ehedem eine Beschäftigung, welcher die Königstochter nicht minder als die Bäuerin oder leibeigenen Magd oblag, den Rocken zwischen den Knien, die Spindel in der Hand. Die Spinnräder kamen erst viel später auf. Einmal war es der Stolz der Bauerntochter, dass sie kein Stück in die Ehe mitnahmen, das sie nicht selbst gesponnen und gewebt hatten. Der Hausfleiß dieser Großmütter barg viel Gemüthswerte und Kunstsinn, die der Industrie alle zum Opfer gefallen sind. Diese Zeit ist allerdings schon recht lange her. Es war einmal – –.

Bereits seit den ersten Ansiedlungen in unserer Gegend, welche die heutigen Städte Trautenau und Arnau zum Stützpunkt hatten, finden wir die ersten Andeutungen über Flachsgarnspinnerei . Auf eine eigentliche Industrie kann wohl in dieser Zeit noch nicht geschlossen werden, sicher ist aber, daß das Spinnen und Weben für Viele ein kleiner Nebenerwerb war, welchen die Bewohner unserer Gegend wegen des geringen Ertrages des Feldbaues zu suchen gezwungen waren.

Selbst in der Zeit Pemysl Ottokar I (1253 – 1278), der das Riesengebirge mit Kolonisten von den verwüsteten Nordseegestaden bevölkerte, welche in ihrer Heimat berühmte Spinnereien errichtet hatten und diesem Erwerbszwang auch hier huldigten, kann von einem über den Hausgebrauch hinausreichenden Industriezweig nicht die Rede sein. Wegen der mangelnden Kenntnis der Appretur und der ausländischen Konkurrenz dauerte es noch Jahrhunderte, bis sich die hiesige Leinwandindustrie den Weltmarkt erobern konnte.

Die ersten Anzeichen eines beginnenden Aufschwunges fallen in die Zeit vor den hussitischen Unruhen (1419 – 1436). Die religiösen und nationalen Wirren, die auch alle inländischen Handelsplätze vernichteten, bedeuteten oder auch gleichzeitig den durch Jahrzehnte begründeten Niedergang schlesischen Leinens. Im Jahre 1595 erbaten sich auch die Leinweber des oberen Aupatales die Aufnahme in die neugegründete Genossenschaft der Leinenweber in Trautenau. Die Errichtung dieser Genossenschaft ist als ein Zeichen der Besserung der Leinenerzeugung zu werten. Wirklich wird zu Anfang des 17. Jahrhunderts wieder eine Ausfuhr über die Landesgrenze ermöglicht, es war dies jene Zeit, wo sich der im Mittelalter mäßige Gebrauch von Leib- und Tischwäsche wesentlich steigerte.

Das so schwer Errungene wurde aber während des 30 jährigen Krieges mit einem Schlage wieder vernichtet. War dort selbst einige Zeit unsere engste Heimat Hauptherd des Krieges. Lange Jahre bedurfte es, bis die tiefen Furchen des Krieges einigermaßen vernarbten. Bereits im Jahre 1680 zeigte sich ein neuer Feind – die Pest. Jedweder Handel wurde durch einen Pestkordon verhindert. Die Leinenweberei hatte auch in der Folgezeit arge Widersacher. In den Jahren 1692 und 1693 missriet der Flachs und in darauffolgenden Jahren vernichtete eine zweimalige Überschwemmung den Anbau. Die Folgen des spanischen Erbfolgekrieges (1701 – 1720) waren jenen des dreißigjährigen Krieges gleich, Böhmen war entvölkert und verarmt, die Gewerbe lagen darnieder. Als sich in späteren Jahren die Leinenerzeugung abermals aufraffte, machte sich erstmalig ein neuer Feind bemerkbar, die ausländische Konkurrenz im Inlande; Engländer und Holländer hatten es verstanden ihren Erzeugnissen in Österreich Eingang zu verschaffen. Das war ein harter Schlag, dazu kam später zum Überfluss noch ein neues Unglück, der 7 jährige Krieg. Alle Bemühungen der Leinenweberei zu helfen zeigten nicht die erhofften Erfolge. Das Spinnpatent aus dem Jahre 1765, die Herbeischaffung besseren Leinsamens durch Maria Theresia, die Zuschüsse Josef II aus der Staatskassa, all diese fördernden Maßnahmen zum Schutze der Spinner und Weber vermochten im Auslande den Ruf der böhmischen Leinen nicht zu heben. Böhmen konnte mit den vorgeschrittenen Kammerzialwesen, der Appretur wie den Geschäftskenntnissen ausländischer Unternehmen eben nicht Gleichschritt halten. Zur damaligen Zeit zählte das Riesengebirge über 50 000 Flachsgarnspinner und an die 5 000 Leinenweber, infolge der misslichen Lage sank aber in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts die Zahl der Spinner und Weber um mehr als ein Drittel. In den 90er Jahren dämmerte eine bessere Zeit heran und sollte auch auf Jahre andauern. Im Riesengebirge dürften wenige Häuser gewesen sein wo nicht gesponnen wurde; Jung und Alt, Arm und Reich war damit beschäftigt. Der Arme fand darin ein Mittel zum Lebensunterhalt, dem Minderbemittelten galt es als Erfolg für den zum Leben unzureichenden Ertrag seiner kargen Felder, dem Bauern zur Beschäftigung seines Hausgesindes während der langen Winterzeit. Jede Magd mußte, wenn sie in den Dienst trat, ihr eigenes Spinnrad mitbringen. Ein richtiger und tüchtiger Gebirgsbauer konnte auch spinnen. Selbst die Schulkinder wurden zu dieser Arbeit angehalten und die Bäuerin setzte sich nach den verbrachten häuslichen Geschäften in den Kreis ihres Gesindes und zupfte fleißig den mit schönem Flachs kunstfertig belegten Rocken, alle zum Fleiße aneifernd, denn jeder Spinner hatte sein Ziel, das jeden Abend erreicht werden musste. So musste beispielweise eine Magd nach der Stallarbeit noch eine halbe Zaspel, jedes Kind zwei Gebinde spinnen. Es durfte an dieser Stelle nicht uninteressant sein, die Maße jener Zeit hier anzuführen. 3 Ellen waren 1 Faden; 20 Faden ein Gebind, 20 Gebind eine Zaspel, 3 Zaspeln ein Strahn, 6 Strähne waren 1 Stück. Jeden Samstag oder auch zweimal in der Woche kam regelmäßig der "Garnmann" welcher von Haus zu Haus gehend das fertige Gespinst einer ganzen Ortschaft zusammenkaufte. Der Garnmann zahlte für 1 Stück 6 Groschen, das war der Verdienst einer werktätigen Woche.

In dieser Zeit entwickelte sich auch ein lebhafter Verkehr nach der Türkei, Griechenland, Russland und das benachbarte Preußen. Trautenau lieferte nach einer zehnjährigen Übersicht (von 1784 – 1793) nach preußisch Schlesien 310 790 Stück Leinwand im Werte von 3 505 057 Gulden 57 Kreuzer C.M.; ins Innere des Landes und anderen österreichischen Provinzen 92 965 Stück im werte von 1 185 225 Gulden 15 Kreuzer C.M. = 112 578 220 K heutiger Währung.

Nicht nur mit Leinwand sondern auch mit Garnen wurden ansehnliche Geschäfte mit dem Ausland gemacht.

Wie einträglich das Leinengeschäft jener Zeit gewesen ist, möge die Tatsache beweisen, dass um 1790 der Arnauer Färber und Leinenhändler Joh. Franz Heer die Herrschaft Wildschütz nebst Hermannseifen erwarb und für sein Verdienste um die Hebung des Handels im Jahre 1794 von Kaiser Josef II mit dem Prädikate "von Silberstein" in den Freiherrnstand erhoben wurde.

Um dieselbe Zeit unterhielt auch der nachmalige Ortsrichter von Marschendorf IV, wohnlich Haus Nr. 64 einen lohnenden Leinenhandel. Eine Urenkelin berichtete dem Chronisten, dass Herr Reuß bis nach Triest mit seinen Leinen fuhr. Von seinen Kindern erlernten in Wien 8 Söhne ein Handwerk, alljährlich nahm er bei seinen Handelsfahrten einen Sohn mit in die Reichshauptstadt, um ihn einen Beruf erlernen zu lassen.

Die rationellere Geschäftsausnützung der Engländer, wie die Verbesserung ihrer Maschinen, sollten für unsere heimische Leinenindustrie von folgenschwerer Bedeutung sein, dennoch beschäftigte die Leinenindustrie bis in die 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts noch tausende Menschen.

Im Sinne der Arbeitsmethoden der englischen Konkurrenten errichtete Johann Faltis, geb. 1796 zu Wölsdorf, Bezirk Königinhof im Jahre 1835 die erste Flachsgarnspinnerei zu Pottendorf in Niederösterreich und schon im darauffolgenden Jahre jene zu Jungbuch. In rascher Folge wurden nun Flachsgarnspinnereien im Trautenauer Bezirksgebiete errichtet und im Jahre 1873 waren ihrer schon 15 mit einer Flachsspindelzahl von zusammen 146 725 Stück.

Der Aupafluss mit seinem großen Gefälle bot reichliche Wasserkraft zur Anlage von Fabriken und Tausende rührige Hände waren bereit, gegen billigen Lohn ihre Kräfte zur Verfügung zu stellen. Die Erschließung der Schatzlarer und Schwadowitzer Kohlenlager gab billige Kohle im Bezirksgebiete.

Im Bereiche der Gemeinde wurde damals im Ortsteil Dunkeltal von der Firma Morawetz und Oberländer auch eine Flachsgarnspinnerei erbaut, welche im Jahre 1860 den Betrieb aufnahm. Einem Berichte der Reichenberger Handelskammer zufolge, beschäftigte der Betrieb bei seiner Errichtung 300 Arbeiter. Die Anzahl der Spindeln betrug 5 000. Als treibende Kraft standen Wasser (60 Pferdekräfte) und Dampf (50 Pferdekräfte) zur Verfügung. Bei einem jährlich durchschnittlichen Flachsverbrauch von 6 000 q wurden 8000 Schock Flachs- und Werggarn in den Nummern 20 bis 80 erzeugt. 1 q Flachs soll durchschnittlich 40 kg verspinnbare Flachsfaser und 57,5 kg verspinnbares Werg ergeben, der gehechelte Flachs durch die Vorbereitungsmaschine noch 5 – 8 %, das Werg 10 – 17 % verlieren. Letzteres wird zu Towgarn in den Nummern 6 – 50, die eigentliche Flachsfaser zu Leinengarn von Nummer 25 – 120 versponnen, während in England Garn bis Nummer 250 erzeugt werden.

Der Preis für Flachsgespinnste wird nach Schock bestimmt, das österreichische hat 60 Stück. ( 1 Stück = 4 Strähn, 1 Strähn = 10 Gebind, 1 Gebind = 120 Faden, 1 Faden = 233 3/4 cm).Laut Angaben älterer Leute durfte die Spindelzahl des Berichtes der Reichenberger Handelskammer aus dem Jahre 1886 nicht stimmen. Die Zahl vom 5 000 erscheint allgemein zu hoch. In der Dunkeltaler Flachsgarnspinnerei wurde ehedem auch gekrempelt und gehechelt. Eine eigene Spitzerei war ebenfalls in dem Betriebe. Im Jahre 1887 (16. Mai) schlug der Blitz in den Betrieb ein und die Morawetz-Oberländer´sche Flachsspinnerei wurde ein Raub der Flammen. Das niedergebrannte Anwesen ging im gleichen Jahre in den Besitz der Firma J. A. Kluge Oberaltstadt über. Diese ließ die Fabrik neuerdings aufbauen und stattete sie mit dem für die damalige Zeit modernsten Maschinen aus. Die Spitzerei wurde aufgelassen. Am 16. Juli 1889 wurde die Arbeit wieder aufgenommen. 9 Maschinen mit einer Spindelanzahl von 2 000 arbeiteten anfangs. Laut Bericht der Trautenauer Bezirkskunde zählte der Betrieb um 1900 bereits wieder 3 000 Spindeln. Die Firma Kluge war seit jeher bestrebt die Fabrik und deren Anlagen mustergiltig ausgestattet zu wissen. 1903 arbeiteten etwa 220 Arbeiter auf 23 Maschinen, das ergibt die zweifelhafte Anfangsspindelzahl von 5 000. In dieser Zeit wurden die beiden ersten Familienhäuser erbaut, der Bau des dritten, mittleren und größten Arbeiterfamilienhauses wurde im Jahre 1914 begonnen und während des zweiten Kriegsjahres fertiggestellt. Zum Zwecke des verbilligten Wareneinkauf wurde bereits 1904 ein Konsumverein im ersten Familienhauses errichtet. 1907 wurden die ersten Turbinen aufgestellt. Während der Kriegsjahre mußte der Betrieb teilweise stillgelegt werden und auch in den ersten Nachkriegsjahren arbeiteten 7 Maschinen. In den Folgejahren war der Betrieb wieder vollbeschäftigt, infolge der Rationalisierung sank jedoch die Belegschaft auf 170 Arbeiter. Die später eintretende Weltwirtschaftskrise hatte zur Folge, daß der Betrieb mehrmals still gelegt werden mußte. Erst im Jahre 1934 trat eine teilweise Besserung der Marktlage in Bezug auf Flachsgarn ein. Gegenwärtig (1936) arbeitet der Betrieb mit einer Belegschaft von 280 Arbeitern doppelschichtig. Die Spindelanzahl von 5 000 ist bei teilweise erhöhter Erzeugungsmenge und erniederstem Flachsverbrauch dieselbe geblieben. Erwähnt sei noch zum Schlusse, daß hauptsächlich Garn in den Nr. 14 – 45 gearbeitet werden. Durch einen großzügigen Umbau wurde die Leistungsfähigkeit der Betriebsmaschinen in den Nachkriegsjahren auf 300 Pferdestärken Dampfkraft und 280 Pferdestärken Wasserkraft erhöht.

Da die Flachsgarnfabrikanten sehr bald durch andere Gebiete, vor allem durch Russland, mit Flachs billiger beliefert wurden, erwies sich sehr bald ihr Anbau als unrentabel. Als gleichen vermochten sich auch die Handspinner gegen die vielfach als "Teufelswerk" verschrieene Maschinenspinnerei auf die Dauer nicht zu behaupten, obzwar ihr Erwerbskampf ein zäher war.

Heute gehören all´ die schönen Geschichten, die Großmütterlein aus Spinnstuben und von "Lichtengängen" erzählte, der Vergangenheit an. Spinnrad und Spinnrocken fristen ihr Dasein in den Heimatmuseen und selten weiß der flüchtige Beschauer davon, wie eng verknüpft sie einst mit dem Leben unserer Vorfahren waren.


Anmerkung im Jahre 2011: Die Transkription des Gemeinde Gedenkbuches der Gemeinde Marschendorf IV. Teil erschien im Jahre 2006 im Eigenverlag! Peter Schulz

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