Quelle: "Das Riesengebirge in Wort und Bild"

Noch etwas über Kolbendorf, dann den Thalergraben

von Joh. Mikisch, Oberförster i. P., Marschendorf.

In Nr. 17 und 18 der Vereinszeitschrift "Das Riesengebirge in Wort und Bild" findet man auf Seite 93 Nachrichten aus Simon Hüttels Chronik über einige Ortschaften im Riesengebirge mit Erklärungen und Berechtigungen des verehrten Referenten Herrn J. Böhm angeführt.

Über das heutige Kolbendorf (bei Kleinaupa) ist da zu lesen: "Das Dorf Lisetziny, Lysetznitz gehörte ehedem zum Lehngute Schatzlar und ist unter dem heutigen Namen Kolbendorf bekannt. Im Cechischen (nach dem Topografický sIovnik) heißt der Ort eben Lyseciny (von lysý = kahl, also etwa Kahlendorf ?), und er führt im Siegel einen Baumstock mit einem Theile des Stammes."

Dass das Dorf Kolbendorf einst zu Schatzlar gehört haben soll, ist nach den obwaltenden Umständen zu bezweifeln, denn das Dorf liegt in seiner ganzen Ausdehnung am östlichen Abhange des seit jeher zur Domaine Marschendorf gehörigen Langenberges, fängt oberhalb Marschendorf IV. Theil an und läuft in einem schmalen Streifen i n einer Länge von 2 Stunden gegen Kleinaupa bis an die Landesgrenze zwischen Böhmen und preußisch Schlesien. Gegenwärtig ist der Ort seiner ausgedehnten Länge wegen in Nieder? und Oberkolbendorf getheilt, und da Kolbendorf und Schatzlar durch die seit jeher zur Domaine Marschendorf gehörigen Ortschaften Rehorn, Dörrengrund dann Ober- und Niederalbendorf, die dazwischen liege, getrennt ist, so wird die Simon Hüttel´sche Annahme noch unwahrscheinlicher.

Über die Herleitung und Entstehung des Namens Kolbendorf habe ich hier vielseitig Nachforschung gepflogen, und erlaube mir das Erfahrene, soweit es mir wahrscheinlich dünkt hier mitzutheilen.

Der Name Kolbendorf entstand in Folge der ersten Ansiedlung. In dem Thale gegen Norden etwa eine Viertelstunde oberhalb Marschendorf IV. Theil, wo der Albendorfer und Kolbendorfer Bach zusammenfließen, nahm vor Zeiten ein wohlhabender Mann eine größere Strecke Landes in Besitz und erbaute hier ein Haus. Nach dem ursprünglich alles Urland war und in diesem Zustande nur aus Wald und Hutweide bestand, auch die ganze Wirtschaft hauptsächlich auf Viehzucht basierte, so unterhielt derselbe eine große Menge Jungvieh, bestehend aus Kalbinnen, welche hier auf die Hutung ausgetrieben wurden. Da man hiergebirgs nicht Kalbin, sondern mundartlich Kolba, Kolbe sagt, so wurde der Besitzer dieser Ansiedlung (da hier auch das Meiste einen Vulgärnamen haben muss) "Kolbabauer" genannt. Als die Ansiedlung wuchs, nannte man das neue Dorf Kolbadorf, was später auf Kolbendorf verfeinert ward. Bis heute ist, wenn man fragt: "Wo gehst du hin ?" die Antwort: "Ai die Kolba!" - Die Glaubwürdigkeit dieser Deutung wächst noch mehr, wenn man erinnert wird, dass auf ganz ähnliche Verhältnisse zurückgeführt wird: so die zwei Ochsenbauden inmitten der Ochsenwiese auf der Höhe des Schwarzenberges bei Johannisbad, die Gemeinde Ochsengraben bei Hohenelbe, das Ochsenloch beim rehorner Vorwerk, die Hofbauden u. a.

Die Deutung der Figur in dem Gemeindesiegel als Baumstumpf ist eine irrige und mag mit der rohen und unvollkommenen Ausführung des Siegelbildchens durch den Metallgraveur entschuldiget werden. Der Gegenstand des Siegels ist ein anderes, höchst eigenartiges natürliches Wahrzeichen des Ortes, um welches die Kolbendorfer von vielen Gemeinden beneidet werden können.

An dem Ausläufer des Gebirges zwischen Alben- und Kolbendorf oberhalb dem Zusammenflusse des Albendorf- und Kolbendorfer Baches, wo die meisten Ansiedlungen sich entwickelt haben, steht die Mühle; vor derselben läuft die eine Strasse rechts nach Albendorf und die andere links nach Kolbendorf Obertheil. Gleich oberhalb dieser erhebt sich ein Hügel, welcher zur Grundlage Urkalk hat, und auf diesem steht in senkrechter Stellung ein imposanter Stein, etwa 10 Meter hoch, in Form eines riesigen Streitkolbens. Der stärkere Theil ist nach oben gerichtet und mit zwei Decksteinen wie absichtlich gedeckt, der schwächere nach unten gekehrte Theil ist in den Boden eingesenkt und jedenfalls mit seinem Muttergestein noch fest verbunden. Sein Material ist ebenfalls Urkalk, nur eine noch festere Masse, da er schon Jahrtausende in dieser Stellung überdauerte, wogegen das ihn umgebende Gestein längst verwittert ist. Aber auch an seinem Körper nagt der Zahn der Zeit, denn das um ihn herumliegende und von ihm abgebröckelte Steingerölle liefert den Beweis, dass auch er nicht in Ewigkeit stehen wird. Lebhaft erinnert dieser Stein an die Form des Zuckerhutes am Eingange in die Adersbacher Felsen.

Hier hoffte ich das Richtige gefunden zu haben: Riesengebirge. Riesenstreitkolben - und im Siegel der Gemeinde, dies muss doch eine wichtige Bedeutung haben. Wer aber, wie es dem Schreiber dieser Zeilen ergieng, durch die Keulen- oder Kolbenform dieses Steines verführt, an eine Ableitung des Ortsnamens von der Felsgestalt glauben möchte, dem sei gesagt, dass der Fels und der Hügel keineswegs Kolbenstein und Kolbenhügel, sondern allgemein Lattenstein und Lattenhügel genannt werden.

Wenn man vom Lattenhügel etwa 10 Minuten weiter thalaufwärts gegen Oberkolbendorf geht, so kommt man zu einer in dem Albendorfer Gebirge sich befindlichen Einsenkung, in welcher zwischen Fichtenbeständen eine sumpfige Wiese und eine Wasserfurche sich befinden, die schon längst im allgemeinen "Thalerwiese" und "Thalergraben" heißen.

Von einem alten, nun bereits verstorbenen Manne namens Ferdinand Lamer (vulgo Schätzaferde), den ich als ehrlichen Mann kannte, wurde mir über die Thalerwiese und den Thalergraben nachstehende Geschichte erzählt: Vor mehr als 150 Jahren war in Albendorf ein junger, witziger Bursche (auch aus der Familie der Schätzaferde), der sich gerne in der Welt herumschlug, bald in Österreich, bald in Preußen zu Hause war, und in Folge dessen, da er sich weniger an seine Heimat hielt, für arbeitsscheu gehalten wurde. Dieser Bursche soll bei seinen Wanderungen erfahren haben, dass hier an der bezeichneten Wiese in dem Graben eine Kriegscassa vergraben sei. Eines Tages erschien derselbe wieder in seiner Heimat, warb noch einen Kameraden, und beide gruben einige Nächte heimlich nach dem Schatze; sie sollen auch Geld gefunden haben. Wie aber Fama solche Angelegenheiten oft verschiedenfach entstellt weiterträgt, so hieß es zuletzt: die Burschen wurden über dem Graben uneins und das Geld ist versunken. Dass aber an der Sache immerhin etwas Wahres ist, geht aus dem Umstande hervor, dass mir dieser Mann einen solchen Thaler aus dem Thalergraben zeigen wollte. Er suchte danach im Tischkasten und in der Nebenkammer, fand ihn aber nicht; dann gieng er auf den Boden, kam aber ganz verlegen ohne Thaler, endlich gieng er in den Stall, aber auch da fand er ihn nicht und sagte ganz untröstlich: "Der Thaler ist weg!" - Etwa 8 Tage später begegnete er mir und schrie schon von Weiten: "Der Thaler is do; ich ho a gefunda!" So sieht man, wie die alten Leute das Geld oft in Winkel verstecken, um es selbst kaum wieder zu finden. Da mich die Sache damals nicht interessierte, so habe ich mich auch weniger darum bekümmert, bis ich durch die Vereinszeitschrift aufmerksam gemacht wurde. Jetzt wendete ich mich an seine Verwandten und Bekannten, die mir bestätigten, dass der Mann solche Thaler aus dem Thalergraben oft gezeigt habe; ob er aber nur einen oder mehrere hatte, konnte ich nicht erfahren. Nur so viel wurde mir gesagt, dass der Thaler gewesen sein soll und auf der Reversseite 3 Köpfe hatte; was auf der andern Seite war und was derselbe für eine Jahreszahl trug, konnte ich nicht erfahren. Auch sollen in diesem Graben nach einem Wolkenbruch in dem durch Hochwasser ausgeschweiften Gerölle Thaler gefunden worden sein, welche sich noch in Albendorf befinden, nur scheinen die Leute daraus ein Geheimnis zu machen, denn wenn man darnach näher fragt, so sagen sie: "Mein Vater hat es vom Großvater gehört und hat es uns weiter erzählt."

Wenn man nun ein 45- bis 55jähriges Durchschnittsalter annimmt und auf den Großvater zurückgeht, so würde sich diese Begebenheit etwa vor 150 Jahren zugetragen haben. In demselben Hefte der Eingangs genannten Zeitschrift wird aus dem zweiten schlesischen Kriege von dem Rückzuge und der Verfolgung der Preußen dem Protocollum beneficii Jungbuchensis (Pfarrer J. P. Streer) wörtlich nacherzählt: "Von hier (Jungbuch) setzten diese (Trenk´sche Panduren) den Preußen nach und holten einen Theil derselben hinter Marschendorf in den Kolben ein, wobei es zu einem starken Scharmützel kam. In der sogenannten Büttelbreche (wahrscheinlich ein in dieser Gegend befindlichen Flachsdörrhaus, wo der Flachs gebrochen und gereinigt wurde) büßten die Preußen über 500 Todte außer den Blessierten ein." Nachdem sich die Leute auf die Erzählung der Großväter beziehen. So dürfte es mit dem Schatzgraben so ziemlich in diese Zeit fallen.

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