Entnommen: "Aus Rübezahls Heimat" Jahrgang 1954

Marschdroff lacht

Erinnerungen aus "Es war einmal" von F. K. Eggebek

Wem wäre wohl unser lieber Heimatort Marschendorf IV nicht noch in guter Erinnerung, sei es in Bezug auf seine bekannte Sauberkeit, oder auch auf die dort herrschende Gemütlichkeit und das gesellschaftliche Leben?

Wenn wir in vorhergehenden Nummern unseres Heimatblattes z. B. von meinem Freunde Hans Dix geschilderte "Jagdgeschichten" lesen, aus denen so recht der herbe und drastische Witz hervorleuchtet, so kann man sich leicht vorstellen, wie urgemütlich es zuging, wenn sich des Öfteren eine ganze Gesellschaft, bestehend aus lauter solchen Pflanzen, traf. Wer denkt dabei nicht an alte, liebe Gesichter, die gern einen Spaß mitmachten, wie Frika Hannes, Bezirksrichter Böhm, Lieb Franz, Schlesinger Richard, Hoffmann Seff, Krause Lehrer (dem absolut kein Tropfen Alkohol beizubringen war), natürlich fehlte Dix Hans nie dabei und noch so mancher aus unserer "Donnerstagsrunde".

Nach so einem Donnerstagabend konnte man am frühen Morgen bei manchem Hause Poltern und Fluchen hören, wenn einer oder der andere nicht aus seinem Haus raus konnte und erst die Barrikaden vor der Haustür weggeräumt werden mussten, oder wenn ein Friseuraushängeschild oder eine Firmentafel gesucht wurde, die man endlich irgendwo bei einem Fleischer, an der Schlacht aufgemacht, vorfand.

Einige dieser Brüder – voran unsere Ärzteschaft – hatten es sich zur Aufgabe gemacht, aus meinem Blumengarten die dort aufgestellten Zwergfiguren zu sammeln, ihnen eine Schnur um den Hals zu binden, und am Morgen wunderte ich mich nicht wenig, dass alle Vorübergehenden zu meinen Fenstern im 1. Stock hinaufsahen, wo die Zwerge schön aufgehängt baumelten. Dass mein Verdacht gleich auf unseren lieben Primarius mit seinen Gesellen fiel, ist nicht zu wundern, und ich brütete Rache. In der nächsten Nacht hörte ich wieder Geräusche, man war wieder am Werk. Ich beobachtete hinter der Fenstergardine, wie man unten eine Pyramide aufbaute, obenauf unser lieber Ferbass, der die Figuren befestigen sollte. Plötzlich stieß ich das Fenster auf, und ein Guss von oben brachte die mühsam aufgebaute Pyramide ins Wanken.

Noch eine lustige Episode möchte ich hier schildern: Wieder mal an einem solchen Donnerstagabend sitzt beim "Pepp" eine gemütliche Gesellschaft, und unsere Wirtin, die "Schanni", bemüht sich, dass ja keiner Durst leidet. In ziemlich vorgerückter Stunde macht sich einer doch auf und wackelt übers Bruneckerbergl seinem nahen Heim zu. Der Weg ist heute anstrengend, aber unser Franz schaffts, und glücklich darüber hält er sich an der Tonne fest, die zum Auffangen des Traufenwassers vor dem Hause aufgestellt ist. Aber mit des Geschickes Mächten . . . kurz, die gerade leere Tonne kippt um, Franz verliert das Gleichgewicht und kommt mit dem Oberkörper gerade ins Fass zu liegen, das sich auch schon in Bewegung setzt, und mit Schwung geht es den soeben mühsam erklommenen Weg zurück, über die Straße hinweg und landet wieder vor dem Gasthaus, das er vor kaum einer Viertelstunde verlassen hatte.

Von der zurückgebliebenen Runde mit "Hallo" empfangen, setzt sich unser Franz wieder nieder, und in seinem unübertrefflichen Witz meint er: "Es hat halt nicht sollen sein – Schanni, bring mr ock noch a Bier."





Entnommen: "Aus Rübezahls Heimat" Jahrgang 1954

Die Banknotenfälscher von Nieder-Kolbendorf

Aufgezeichnet von Hans Dix, Rektor i. R. in Bückeburg

Auf dem Bezirksgericht in Marschendorf IV herrscht große Aufregung. Gendarmerie läuft geschäftig ein und aus, gilt es doch der Vorbereitung einer gerichtlichen Kommission nach Nieder-Kolbendorf.

Laut einer schriftlichen anonymen Anzeige bei dem Gericht beschäftigen sich in Kolbendorf die beiden Inwohner Johann Wagner (bekannter unter dem Spitznamen "Ferdahannes") und sein Nachbar Klose mit der Herstellung von Banknoten. Ja, die Anzeige enthielt sogar einige aufschlussreiche Einzelheiten. Der eine von den Geldfälschern mache angeblich die blaue, der andere bedrucke die rote Seite. Das Notenpapier stamme aus der Eichmannschen Papierfabrik, und die Druckerpresse sei im Düngerhaufen vergraben. Bei so vielen näheren Details musste es daher ein leichtes sein, die Verbrecher unschädlich zu machen.

So zieht denn eines Tages in den frühen Morgenstunden ein merkwürdiges Aufgebot, bestehend aus dem Bezirksrichter U. .. und einer tapferen bewaffneten Schar von Gendarmen gegen Kolbendorf. Die Häuser der verdächtigen Personen werden umstellt, und eine hochnotpeinliche Hausdurchsuchung soll das Fälschermaterial zutage fördern und damit die Verbrecher überführen. Doch davon ist auch nicht die geringste Spur aufzufinden. Somit bleibt der hohen Behörde nichts anderes übrig, als die Druckerpresse in den Düngerhaufen zu suchen. Einige der Gendarmen vertauschen ihre geladenen Dienstspritzen mit der Mistgabel und beginnen nun mit gemischten Gefühlen in dem ersten qualmenden Misthausen Schichte um Schichte abzudecken. Lächelnde Zuschauer werden in gebührendem Abstande von der geleerten Grube gehalten. Aber der Erfolg der schwitzenden Goldgräber blieb aus. (So ähnlich wird es auch im Jahre 1945/46 den tschechischen Schatzgräbern aufs neue ergangen sein.) Zögernd und nervös wird nun auch der zweite Düngerhaufen des Nachbarn derselben übelriechenden Prozedur unterzogen. Langsam dämmert bei dem neuerlichen Misserfolg in den Hirnen der geehrten Kommission die Einsicht, dass sie einem gerissenen Witzbold zum Opfer gefallen sei, der sicher verschmitzt schmunzelnd den Anstrengungen der Behörde aus der Ferne zuschaute. Da blieb nun nichts anderes mehr übrig, als den kostbaren Inhalt der Düngergruben wieder einzufüllen und dieselben in den alten Zustand zu versetzen. Auch die nun folgenden eifrigen Nachforschungen nach dem mutmaßlichen anonymen Briefschreiber blieben wie die Entlarvung der Geldfälscher ohne jeden Erfolg.

In ganz Kolbendorf war man sich jedoch über die Person des Spottvogels vollkommen im klaren. Wer aber unter den Lesern seine Neugierde gern befriedigen möchte, der gebe sich keine Mühe, denn er wird es kaum erfahren.







Entnommen: "Aus Rübezahls Heimat" Jahrgang 1954

Ondroffer Faschingsprogramm 1907

von Lois Häring, Albendorf


So stand es gedruckt auf allen Einladungskarten, die zwei Vereinsmänner in Uniform nebst Paradehelm, Spitzhacke und Gürtel von Haus zu Haus trugen und die Inwohner durch witziges Zureden zum bestimmten Erscheinen aufmunterten. Ja, der alljährlich stattfindende Feuerwehrball in der guten alten österreichischen Zeit, wo es noch ein richtiges 18grädiges Malzbier gab, hatte in Albendorf seine große Tradition. Abwechselnd im Nieder- bzw. im Oberdorfe abgehalten, dauerte dieser stets seine zwei, manchmal auch drei Tage, und kein Amtsmensch hätte es wagen dürfen, etwa eine Sperrstunde anzusetzen.

Herr Albert Plechatsch, der jahrzehntelange diensteifrige Feuerwehrkommandant von Albendorf, verstand sich nicht nur ausgezeichnet auf das Kommandieren seiner Wehr beim Üben und im gefahrvollen Einsatz, sondern er war auch Großmeister im Veranstalten von zünftigen Lustbarkeiten.

Der äußerst tüchtige und sparsame Gastwirt Schwantner, der also im Jahre 1907 von der Generalversammlung der Wehr die Order für den fälligen Faschingsball erhalten hatte, ging mit Feuereifer an die notwendigen Vorbereitungen heran, denn es winkte ein gutes Geschäft. Der geräumige Saal wurde mit breitlangen, bunten Girlanden dekoriert, allerlei Wappen und Ehrenurkunden verdienter Wehrmänner zierten die Wände, mehrere große Fässer Bier nebst Branntwein standen im Keller zum Löschen der zu erwarteten Brände bereit, die Wirtin buk ellenlange Striezel und dicke Buchteln, und das mehrzentrige Hausschwein musste Thoma-Bauer aus "a Öwrkolwa" (aus Oberkolbendorf) schlachten, da dessen Metzgerkunst weit und breit gesucht war.

Die meisten der Eingeladenen waren schon erschienen, als die Blechmusik punkt 8 Uhr mit einem schmetternden Marsch den Ball eröffnete. Eine Stunde später war der ganze Ballsaal zum Bersten voll. Junge und alte Paare drehten und schwitzten einen Walzer und Polka nach dem anderen, Maskeraden und bunte Angebinde wirbelten von Hand zu Hand, und Herrn Schwantner, der die Bedienung der vielen Gäste allein zu bewältigen hatte, wuchs die Arbeit über den Kopf, dauernd musste er mit leeren und vollen Gläsern die Kellertreppe ab und auf traben, denn damals gab es noch keine zum Bierausschank führenden Druckpiepen.

So ging es bunt wirbelnd bis zur Mitternachtspause zu. Erschöpft setzten sich jetzt die Tänzer an die Tische, und weil sich mittlerweile ein beißender Hunger eingestellt hatte, rief alles nach Braten, Sauerkraut, Brot und Salz. Herr Schwantner tischte auf, was er vorbereitet hatte, nur mit den Hausleberwürsten wollte er aus unerklärlichen Gründen nicht herausrücken. Das war aber in den Augen vieler Wehrleute eine unverzeihliche Unterschlagung, die gesühnt werden musste. Die drei anwesenden "Steiger" Jeschke Seff, Kühna Schmied und Flögel-Schneider steckten die Köpfe zusammen und "beriefen" sofort einen mehrgliedrigen Untersuchungsausschuss, dessen Aufgabe es war, den Lagerungsplatz der vorenthaltenen Würste ausfindig zu machen. Das war für die drei geübten Steiger nicht allzu schwer, denn das Suchen und Retten von "Wertsachen" gehört mit zum Übungsprogramm einer jeden Feuerwehr. Nach getaner Arbeit wurde im Einvernehmen mit dem Kommandanten ein Plan ausgeheckt, der in den frühen Morgenstunden zur Ausführung kommen sollte.

Man tanzte und "löschte" nach der Pause zügig weiter. Etwa um die fünfte Morgenstunde leerte sich der Saal, da viele der Gäste in die Stallungen zum Füttern gehen mussten. Nur die in den "Vergeltungsplan" eingeweihten blieben sitzen, rückten die Tische zusammen und täuschten den andern eine unbekümmerte Vergnüglichkeit vor. Während die Runde Herrn Schwantner mit unschuldvollster Miene dauernd durch kleine und kleinste Bestellungen in Anspruch nahm, machten sich die drei Exekutoren an ihre Stoßtrupparbeit. Das "Unternehmen" gelang ohne die geringste Störung und ohne geringstes Aufsehen.

Heimlich wurden die erbeuteten Würste unter Deckung in das Häringhaus geschafft, wo selbe bald in einer großen Bratpfanne schmorten. Frau Häring, die Peitzkomüllerin sowie die für jeden Spaß zu habende und stets fidele Kühnaschmiedin sorgten für reichliche Zutaten, kochten eine große Bulle starken schwarzen Kaffee, opferten die besten Striezel, und zwischen 7 – 8 Uhr wurden durch "Kurier" die harrenden Männer im Saale verständigt. "Essen fertig, vergattert euch!" kommandierte Plechatsch Bert. Im Nu formierten sich die Aufgerufenen auf der Straße zu einem Zug, und mit der Musik voran ging es mit festem Schritt und Tritt nach Häringa. Im Handumdrehen war die große Stube bombenvoll. Während sich die Männer an den vorzüglichst gebratenen Hauswürsten nicht genug satt essen konnten, schmetterte die Musik in der Stube einen Marsch nach dem andern, so dass die Fensterscheiben nur so klirrten. Zum Glück war in nächster Nähe Tippelt Vinzas Gasthaus, wo die Abgespeisten ihren neu entstandenen Durst reichlich wieder löschen konnten, und es war schon später Vormittag, als die Gratisfrühstücker zurück in den Ballsaal marschierten.

Herr Schwantner kam natürlich bald hinter den ganzen Dreh. Im Stillen mag er wohl die Übeltäter verdonnert haben, aber was blieb ihm anders übrig, als zu der ganzen Geschichte gute Miene zu machen, wollte er zum Schaden nicht noch den Spott haben. Aber zu Schaden kam der Geprellte nicht, denn die löbliche Vereinskasse machte selben wieder mehr als gut, so dass sich Herr Schwantner zum Schluss noch genötigt sah, den tapferen Steigern ein Extra-Fassl "Achtzehngrädiges" zu spendieren. So nahm auch der Ondroffer Feuerwehrball anno 1907 seinen gewohnten fröhlichen Ausklang.

Heute sind die meisten Feuerwehrmänner nebst ihren Frauen jener unbeschwerten Jahre längst nicht mehr, und sie müssten keine braven, rechtschaffenden Riesengebirgler gewesen sein, wenn sie nicht Petrus zufrieden lächelnd am Himmelstore empfangen hätte.

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