Entnommen: Riesengebirgsheimat - Heimatblatt für die ehemaligen Kreise Trautenau und Hohenelbe

Ondroffer Faschingsprogramm 1907

von Lois Häring, Albendorf

So stand es gedruckt auf allen Einladungskarten, die zwei Vereinsmänner in Uniform nebst Paradehelm, Spitzhacke und Gürtel von Haus zu Haus trugen und die Inwohner durch witziges Zureden zum bestimmten Erscheinen aufmunterten. Ja, der alljährlich stattfindende Feuerwehrball in der guten alten österreichischen Zeit, wo es noch ein richtiges 18grädiges Malzbier gab, hatte in Albendorf seine große Tradition. Abwechselnd im Nieder- bzw. im Oberdorfe abgehalten, dauerte dieser stets seine zwei, manchmal auch drei Tage, und kein Amtsmensch hätte es wagen dürfen, etwa eine Sperrstunde anzusetzen.

Herr Albert Plechatsch, der jahrzehntelange diensteifrige Feuerwehrkommandant von Albendorf, verstand sich nicht nur ausgezeichnet auf das Kommandieren seiner Wehr beim Üben und im gefahrvollen Einsatz, sondern er war auch Großmeister im Veranstalten von zünftigen Lustbarkeiten.

Der äußerst tüchtige und sparsame Gastwirt Schwantner, der also im Jahre 1907 von der Generalversammlung der Wehr die Order für den fälligen Faschingsball erhalten hatte, ging mit Feuereifer an die notwendigen Vorbereitungen heran, denn es winkte ein gutes Geschäft. Der geräumige Saal wurde mit breitlangen, bunten Girlanden dekoriert, allerlei Wappen und Ehrenurkunden verdienter Wehrmänner zierten die Wände, mehrere große Fässer Bier nebst Branntwein standen im Keller zum Löschen der zu erwarteten Brände bereit, die Wirtin buk ellenlange Striezel und dicke Buchteln, und das mehrzentrige Hausschwein musste Thoma-Bauer aus "a Öwrkolwa" (aus Oberkolbendorf) schlachten, da dessen Metzgerkunst weit und breit gesucht war.

Die meisten der Eingeladenen waren schon erschienen, als die Blechmusik punkt 8 Uhr mit einem schmetternden Marsch den Ball eröffnete. Eine Stunde später war der ganze Ballsaal zum Bersten voll. Junge und alte Paare drehten und schwitzten einen Walzer und Polka nach dem anderen, Maskeraden und bunte Angebinde wirbelten von Hand zu Hand, und Herrn Schwantner, der die Bedienung der vielen Gäste allein zu bewältigen hatte, wuchs die Arbeit über den Kopf, dauernd musste er mit leeren und vollen Gläsern die Kellertreppe ab und auf traben, denn damals gab es noch keine zum Bierausschank führenden Druckpiepen.

So ging es bunt wirbelnd bis zur Mitternachtspause zu. Erschöpft setzten sich jetzt die Tänzer an die Tische, und weil sich mittlerweile ein beißender Hunger eingestellt hatte, rief alles nach Braten, Sauerkraut, Brot und Salz. Herr Schwantner tischte auf, was er vorbereitet hatte, nur mit den Hausleberwürsten wollte er aus unerklärlichen Gründen nicht herausrücken. Das war aber in den Augen vieler Wehrleute eine unverzeihliche Unterschlagung, die gesühnt werden musste. Die drei anwesenden "Steiger" Jeschke Seff, Kühna Schmied und Flögel-Schneider steckten die Köpfe zusammen und "beriefen" sofort einen mehrgliedrigen Untersuchungsausschuss, dessen Aufgabe es war, den Lagerungsplatz der vorenthaltenen Würste ausfindig zu machen. Das war für die drei geübten Steiger nicht allzu schwer, denn das Suchen und Retten von "Wertsachen" gehört mit zum Übungsprogramm einer jeden Feuerwehr. Nach getaner Arbeit wurde im Einvernehmen mit dem Kommandanten ein Plan ausgeheckt, der in den frühen Morgenstunden zur Ausführung kommen sollte.

Man tanzte und "löschte" nach der Pause zügig weiter. Etwa um die fünfte Morgenstunde leerte sich der Saal, da viele der Gäste in die Stallungen zum Füttern gehen mussten. Nur die in den "Vergeltungsplan" eingeweihten blieben sitzen, rückten die Tische zusammen und täuschten den andern eine unbekümmerte Vergnüglichkeit vor. Während die Runde Herrn Schwantner mit unschuldvollster Miene dauernd durch kleine und kleinste Bestellungen in Anspruch nahm, machten sich die drei Exekutoren an ihre Stoßtrupparbeit. Das "Unternehmen" gelang ohne die geringste Störung und ohne geringstes Aufsehen.

Heimlich wurden die erbeuteten Würste unter Deckung in das Häringhaus geschafft, wo selbe bald in einer großen Bratpfanne schmorten. Frau Häring, die Peitzkomüllerin sowie die für jeden Spaß zu habende und stets fidele Kühnaschmiedin sorgten für reichliche Zutaten, kochten eine große Bulle starken schwarzen Kaffee, opferten die besten Striezel, und zwischen 7 – 8 Uhr wurden durch "Kurier" die harrenden Männer im Saale verständigt. "Essen fertig, vergattert euch!" kommandierte Plechatsch Bert. Im Nu formierten sich die Aufgerufenen auf der Strasse zu einem Zug, und mit der Musik voran ging es mit festem Schritt und Tritt nach Häringa. Im Handumdrehen war die große Stube bombenvoll. Während sich die Männer an den vorzüglichst gebratenen Hauswürsten nicht genug satt essen konnten, schmetterte die Musik in der Stube einen Marsch nach dem andern, so dass die Fensterscheiben nur so klirrten. Zum Glück war in nächster Nähe Tippelt Vinzas Gasthaus, wo die Abgespeisten ihren neu entstandenen Durst reichlich wieder löschen konnten, und es war schon später Vormittag, als die Gratisfrühstücker zurück in den Ballsaal marschierten.

Herr Schwantner kam natürlich bald hinter den ganzen Dreh. Im stillen mag er wohl die Übeltäter verdonnert haben, aber was blieb ihm anders übrig, als zu der ganzen Geschichte gute Miene zu machen, wollte er zum Schaden nicht noch den Spott haben. Aber zu Schaden kam der Geprellte nicht, denn die löbliche Vereinskasse machte selben wieder mehr als gut, so dass sich Herr Schwantner zum Schluss noch genötigt sah, den tapferen Steigern ein Extra-Fassl "Achtzehngrädiges" zu spendieren. So nahm auch der Ondroffer Feuerwehrball anno 1907 seinen gewohnten fröhlichen Ausklang.

Heute sind die meisten Feuerwehrmänner nebst ihren Frauen jener unbeschwerten Jahre längst nicht mehr, und; sie müssten keine braven, rechtschaffenden Riesengebirgler gewesen sein, wenn sie nicht Petrus zufrieden lächelnd am Himmelstore empfangen hätte.

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