In den alten Trautenauer Zeitungen gefunden

von Peter Schulz, Garbsen

"Trautenauer Wochenblatt", 25.02.1884:
Bezirksschulrat hat mit Sitzung vom 21.02.1884 die Errichtung einer 2klassigen Volksschule In Oberaltenbuch abgelehnt. – Das Ansuchen für die Errichtung eines eigenen Schulsprengels in Marschendorf I. Theil wurde vom k.k. Landesschulrath befürwortet.


"Trautenauer Zeitung" Nr. 10, 08. März 1884:
Marschendorf am 2. März (Nationalverein.)
Heute fand im Bräuhofsaale die Generalversammlung des Nationalvereines deutscher Bürger und Bauern für den Gerichtsbezirk Marschendorf statt. Der Obmann, Herr k. k. Notar Vohla eröffnete und begrüßte die gut besuchte Versammlung und stellte derselben den als Regierungsvertreter erschienenen k. k. Statthaltereiconcipisten Matejka vor. Der Schriftführer, Herr Dr. Kristenheit brachte das Protocoll der letzten am 26. December 1882 stattgefundenen Versammlung zur Verlesung und nach erfolgter Genehmigung desselben, gab der Vorsitzende einige Einläufe bekannt, und zwar ein Schreiben, in welchem das Kaiser Josef-Denkmal Comité in Markausch dem Vereine für den zur Errichtung des Josefs-Monumentes überschickten betrag den Dank ausspricht; ferner ein Dankschreiben des Abgeordneten Dr. Herbst für die seitens des Nationalvereines dem Club der vereinigten Linken in einer Resolution gezollte Anerkennung. Weiteres machte der Herr Vorsitzende die Mittheilung, daß die vom Redacteur Lindemayr in der letzten Versammlung beantragte Petition wegen Regelung der Waarencontrole in den Grenzbezirken vom Ausschusse verfaßt und an den Abg. Dr. Roser behufs Ueberreichung im Abgeordnetenhause abgeschickt wurde.

Aus dem vom Herrn Vorsitzenden erstatteten Thätigkeitsberichte heben wir hervor: Am 27. September 1881 versammelte sich eine Anzahl von 33 deutschen Männern, welche den Beschluß faßten einen Nationalverein deutscher Bürger und Bauern für den Gerichtsbezirk Marschendorf zu bilden. Am 18. Jänner 1882 fand bereits die constituierende Versammlung in Marschendorf IV. Theil statt. Dem Vereine traten an diesem Tage 111 Mitglieder bei. Heute beträgt die Mitgliederzahl 119. In allen wichtigen politischen und nationalen Fragen wurden Resolutionen gefaßt. Die Einnahme des Vereines betrugen 53 fl. 19 kr., die Ausgaben 59 fl. 36 kr., daher sich ein Deficit von 6 fl. 17 kr. ergibt. Bemerkt muß hier werden, daß in der letzten Vollversammlung die Auflassung des Mitgliederbeitrages beschlossen wurde.

Nach Erstattung des Thätigkeitsberichtes sprach Herr k. k. Notar Vohla über die gegenwärtige Stellung der Deutschen in Oesterreich und speciell in Böhmen. Redner behandelte in sehr treffender und eingebender Weise zunächst die Fragen: Welche Rechte haben die deutschen auf den österreichischen Staat und welche Pflichten obliegen ihnen. Er erinnert an die Worte eines Abgeordneten, welcher von sich sagte, daß er nie ohne ein Stück Weltgeschichte ausgehe. Auch er, Redner, gehe selten ohne ein Stück Weltgeschichte aus, da diese die Lehrmeisterin des Lebens ist. Würden auch unsere Staatsmänner immer so ausgehen, wir stünden heute auf einem anderen Standpunkte. Redner macht nun einen historischen Rückblick bis in das 13. Jahrhundert und wies nach, wie so es kam, daß Oesterreich ein deutscher Staat wurde. Er zog im weiteren Verlaufe seiner Ausführungen eine Parallele zwischen der deutschen und čechischen Auffassung des Einheitsstaates. Das Streben unserer politischen Gegner gehe dahin, daß sie endlich die Zweidrittel-Majorität erhalten, um die Verfassung aufzuheben und abzuändern. Es sei leicht möglich, daß es ihnen gelingt. Redner besprach die in letzterer Zeit vorgefallenen polit. Ereignisse in Oesterreich, die angestrebte Zweitheilung Böhmens und schloß mit den Worten Wallensteins: Wenn Haupt und Glied sich trennen, dann wird sich zeigen wo die Seele wohnt." – (Beifall)

Landtagsabgeordneter Benoni ergreift hierauf das Wort als Abgeordneter des Bezirkes aus dem Grunde, weil er mitstimmte für die Ausführung des Beschlusses der Prager Abgeordneten-Conferenz vom 25. Jänner letzten Jahres. Redner bespricht die Ereignisse, welche sich in und außerhalb der Arena des österreichischen Reichsrathes seit 25. Jänner abspielten und hebt hervor, daß heute mehr wie je jeder deutsche Mann, jeder deutsche Familienvater die Pflicht habe, für die Erhaltung seiner Nationalität und für die Uebertragung derselben auf seine Nachkommen besorgt zu sein. Es wurde bis nun von den Deutschen als das höchste Postulat die Staatseinheit aufgestellt, ein Postulat, das wir nicht verlassen sollen. Allein, wenn alles gegen die Staatseinheit ist, wenn selbst ein höherer Factor, als wir Deutschen es sind, von der Idee der Reichseinheit sich abgewendet, was haben wir dann noch für ein Interesse daran? Als das Regime Taaffe die Regierungsgeschäfte übernahm, da hieß es, es müssen die Nationalitäten versöhnt werden. Wir Deutschen haben gefragt: wo? Mit wem? Eine Aussöhnung zwischen friedlich lebenden Menschen ist doch nicht nothwendig. Wie kläglich das Ministerium seine Pflicht erfüllt habe, sei bekannt. Die Tendenz der Regierung ist, das deutsche Volk in die Minorität zu drängen, es zu zersplittern, es macht- und wehrlos zu machen. Wie können die Deutschen ein Interesse daran haben an der Staatseinheit, wenn die Gegner ein dreieiniges Königreich herstellen wollen? Trotz aller Machtmittel der Regierung, uns geradezu zu einem Volke zweiter Classe zu degradieren, geben wir doch die Hoffnung nicht aus, wenngleich es ein vollkommenes Mißverkennen der Situation ist, wenn wir Deutschen heute noch die Staatseinheit wollen. Wie kann ein Staatswesen gedeihen, wenn die einzelnen Länder in Kampf und Fehde sich befinden? Man schafft politische sociale Parteien um einzelne Volksschichten gegen die mobile Capitalskraft zu schaffen. Arm und reich leidet darunter. Der Kampf reibt uns auf und macht uns auf dem Geschäftsmarkte concurrenzunfähig.

Wir Deutschen werden jedoch beweisen, daß dieses Reich niemals bestehen kann, ohne uns. Leider sind wir bis zu dieser Stunde noch nicht fest vereinigt. Eine bedeutende Wählergruppe entsendet leider noch Männer, welche – zu unserer Schande sei es gesagt – gegen uns Deutsche im Reichsrathe stimmen. So lange diese Abgeordneten mit der Regierung und der Rechten gehen, so lange haben wir den Beruf sie zu bekehren und für unsere Reihen zu gewinnen. Redner erwähnt, daß er gelegentlich der Sprachdebatte das Abgeordnetenhaus besuchte und da war es ein beschämendes Bewußtsein, mit ansehen zu müssen, wie die deutschen Regierungsmänner herangeschlichen sind, um gegen die deutsche Staatssprache zu stimmen. In der Sprachendebatte habe auch der Leiter des Justizministeriums, Pražak, gesprochen. Dieser erklärte, die Regierung nehme den staatsrechtlichen Standpunkt ein. Aus dieser Erklärung geht hervor, daß die Regierung auf dem Standpunkte steht, in nicht ferner Zeit die Wenzelskrone herzustellen. Die beantragte Wahlreform war nichts als eine Vorreitung zur Etablierung der Wenzelskrone. Redner schilderte nun die Männer, die auf der Regierungsbank sitzen. Aus preßgesetzlichen Gründen müssen wir leider darauf verzichten, diese Schilderung hier wiederzugeben. Wir können aber nicht umhin, anzuführen, daß diese Worte des Redners den größten Beifall fanden. In einzelnen Absätzen verlas Herr Benoni die nun zur Annahme empfohlene Resolution. Als dieselbe zur Abstimmung kommen sollte, erhob jedoch der Regierungsvertreter Einwendungen.

Herr Abg. Benoni: Ich bitte, den Herrn Regierungsvertreter, zu sagen welche Punkte der Resolution anstößig sein sollen.

Regierungsvertreter: Die Resolution ist gegen die Minister und gegen die Čechen. Wenn ich sie zur Abstimmung zulassen sollte, so muß sie abgeändert werden.

Nach einer Bemerkung des Herrn Benoni applaudierte die Versammlung, worauf Herr Matejka erklärte, falls noch einmal die Ruhe und Ordnung gestört werden sollte, wäre er genöthigt, die Versammlung zu schließen.

Benoni: Da depeschiere ich doch sofort an den Minister-Präsidenten Taaffe, daß er über Marschendorf den Ausnahmezustand verhängt. Ich bitte um Papier . . .

Notar Vohla: Die Resolution ist doch so zahm.
Herr Ludwig Wagner: Viel zu zahm! Viel zu zahm!

Nachdem der Herr Statthaltereiconcipist die Resolution der ihm nöthig geschienenen Censur unterzogen hatte, wurde, dieselbe in folgender Fassung einstimmig zum Beschlusse erhoben:
"Der Nationalverein deutscher Bürger und Bauern in Marschendorf und Umgebung dankt dem Club der vereinigten Linken für die gediegene und geistvolle Bekämpfung der gegenwärtigen Majorität – – – unter welcher das vertrauen in die Machtstellung des Staates erschüttert wird.

Wir erklären gleichzeitig, daß wir die administrative Trennung Böhmens fordern, weil nach den Erklärungen der jetzigen Regierung der staatsrechtlich Standpunkt Böhmens von derselben eingenommen wird, gegen welchen wir Deutschen bis auf den letzten Blutstropfen ankämpfen werden, weil wir zu unserer materiellen Wohlfahrt mit unserer Sprache sowohl auf dem Weltmarkte, auf welchen wir unsere Producte bringen, als auch im gewerblichen Leben, in Wissenschaften aus Kunst nicht nur unser Auslangen und Heil finden, sondern damit auch allen Völkern Oesterreichs nützlich werden; niemals aber werden wir uns und unseren Kindern ein Idiom aufzwingen lassen, das unsere eigene Sprache nicht im Entferntesten zu ersetzen vermag, sondern die Schwierigkeiten des materiellen und geistigen Lebens in diesem Staate noch mehr vermehrt.

Da die aggressive Tendenz der Čechen gegenüber uns Deutschen in unverhüllter Weise immer mehr und mehr hervortritt, so wollen und fordern wir nichts Andres, als daß wir administrativ von jenem Stamme getrennt werden, der sich nur zu Anhängern der – – befreundeten Führer hergibt, unsere Kinder ihrer Muttersprache enterben, von ihrer Gnade abhängig machen und über unsere Nation auf ewige Zeiten in diesem Lande zur Tagesordnung übergehen will.

Wir wollen deutsche Richter, deutsche Schulen, deutsche Administration in unseren deutschen Gebieten und möglichst geschieden fern von der andren Nation, der wir ein Gleiches gönnen, nur um Friede und Ruhe zu besitzen zur Pflege unserer Lebensinteressen zu unserem und des Staates Wohl. In diesem Sinne wollen wir als gute Oesterreicher unser Recht geschützt wissen und bitten alle verehrten Mitglieder des Parlamentes zur Beschlußfassung zu bringen, indem wir endlich erwarten, daß nach den jüngsten Erklärungen des Justizministers diese Männer ihre Pflicht nicht preisgeben, nicht mehr verlängern werden, soll sich nicht unser Schicksal, das sie durch ihr verneinendes Votum bereiten würden, an ihnen und ihren Wählern und allen jenen unentschlossenen Elementen furchtbar rächen, welche die Gefahr der slavischen Präponderanz und ihres Gefolges heute noch nicht begreifen wollen, nachdem doch ihre Ziele keinen Zweifel mehr lassen.

An jedem ehrlich denkenden Oesterreicher ist es, zu verhindern, daß die Čechisierung Böhmens nicht weitere Fortschritte mache; wir appellieren an die Einsicht und Erkenntnis unserer Vertreter, hoffend, das energische Vorgehen verhindere, was auf Seite der Gegner der Staatseinheit unzweifelhaft beschlossen ist: die totale Slavisierung Böhmens, Mährens, Schlesiens!

Wird durch die zaghaften Elemente und jene Deutschen des Parlaments, welche heute noch Verrath an unserem Volksstamm üben, unsere Forderung nicht befriedigt, so erwarten wir von allen deutschen Abgeordneten, ferner von allen Genossen und Freunden wahrer Freiheit und die Volkswohlfahrt fördernden Fortschrittes, daß sie dann jene Stätte verlassen, wo unwürdig unserer Position in diesem Reiche unserem Stamme nur Hohn bereitet, und die lautersten Bestrebungen, dem Reiche seinen inneren Frieden wiederzugeben und die Versuche unseliger Reactionsbestrebungen in herausfordernder Weise beantwortet werden.

Das deutsche Volk hat für die Reichseinheit endlos gekämpft, fordert nun vor Allem die Schonung seiner nationalen Güter, die Constituierung einer großen deutschen Nationalpartei die ebenso ein Nationalprogramm aufstellt, wie es unsere politischen Gegner thun und das deutsche Volk wird eiserne Disciplin und die standhafte Ausdauer bewahren, wenn es endlich eine muthige That seiner Vertreter gewahrt."

Der nächste und letzte Punkt der Tagesordnung war die Wahl der Vereinsleitung. Das Resultat der Wahl brachte in der bisherigen Vereinsleitung keine Veränderung hervor, es wurden sämmtliche Functionäre wiedergewählt, ein Beweis, daß die Vereinsleitung sich jetzt wohl in den besten Händen befindet. Möge der Verein auch fernerhin prosperieren und für Aufklärung, Freiheit und Deutschthum ersprießlich wirken!


"Trautenauer Zeitung" Nr. 21, 24. Mai 1884:
Marschendorf am 22. Mai. (Verschönerung – Bauten)
Der Fremde, der unseren Ort im heurigen Lenze noch nicht besuchte, wird, wenn er wieder bei uns einkehrt sehr über die vortheilhafte Veränderung erstaunen, welche derselbe erfahren. Der große Platz vor der Piette´schen Privatschule, auf dem 1880 das Josefsdenkmal errichtet wurde und der bisher als Wiese einen recht ungünstigen Eindruck machte, ist durch den Fabriksbesitzer P. Piette in eine schöne Parkanlage umgewandelt worden. In der Mitte des Platzes, vor dem Monumente, leuchtet die spiegelnde Fläche eines ziemlich umfangreichen Teiches, umgeben von 4 großen Gehölzgruppen, während eine fünfte Gruppe den unmittelbaren Hintergrund des Monuments bildet. Der von Bäumen und Sträuchern freie Raum wird als Rasen den wohlthuenden Eindruck des Ganzen vollenden. Gegen die Bezirksstraße schließt ein lebender Zaun die Gartenanlage ab, die übrigens noch mit einem niedrigen eisernen Zaune umgeben werden soll. Vortheilhaft ist die Unebenheit des Terrains verwerthet worden. Durch Schaffung der Anlage hat Herr Piette seine vielen Verdienste um unserem Ort abermals um eines vermehrt, der Ort selbst aber hat durch den "Hedwigs-Park", wie die Anlage nach der Gattin ihres Schöpfers bereits genannt wird, eine wesentliche Verschönerung erfahren. – Die Baukunst ist heuer bei uns wieder erwacht. Gegenüber der Piette´schen Papierfabrik baut der Tischlermeister Herrn Kirchner, ein ebenerdiges, gegenüber der Röder´schen Fabrik der Branntweinverschleißer Dav. Nettel ein einstöckiges Haus. Nun dürfte unsere Wohnungsnoth bald ein Ende nehmen, zumal noch von weiteren Häuserbauten verlautet.


"Trautenauer Wochenblatt", 03. Juni 1884:
Landesschulrath: Für Marschendorf I. und II. Theil, wo bisher vom Fabrikbesitzer Herrn P. Piette erhaltene fünfklassige, mit dem Öffentlichkeitsrechte versehenen Privatvolksschule besteht, wurde endlich die Errichtung einer öffentlichen Volksschule bewilligt und wird hiefür die Zustimmung des Landesausschusses eingeholt werden.


"Trautenauer Wochenblatt", 23. Juni 1884:
Landesausschuß 23. Juni 1884:
Dem k.k. Landesschulrathe wurde zur Errchtung einer 5klassigen Volksschule in Marschendorf I. Theil an Stelle der P. Piette´schen Fabriksprivatschule daselbst die Zustimmung eröffnet.


"Trautenauer Zeitung" Nr. 29, 18. Juli 1884:
Marschendorf IV. am 18 Juli.(Gründungfest)
Der freiwillige Turnverein zu Marschendorf IV. Theil begeht am Sonntag, den 27. d. J. seine zehnjährige Gründungsfeier. Am genannten Tage um ½ 10 Uhr vormittags findet die Ausrückung zum feierlichen Gottesdienste statt. Um 4 Uhr nachmittags Gartenconcert in der Restauration "Zum Bräuhof", ausgeführt von der Marschendorfer Musikkapelle. Um 8 Uhr abends Festkränzchen. Bei ungünstiger Witterung findet das Conzert im Bräuhofsaale statt.


"Trautenauer Zeitung" Nr. 31, 02. August 1884:
Marschendorf am 28. Juli (Gründungsfest der Feuerwehr)
Der 27. Juli war für unseren Ort ein besonderer festlicher Tag. Die freiwillige Turnfeuerwehr feierte nämlich das zehnjährige Gründungsfest ihres Bestandes, an welchem Feste sich die Bewohner Marschendorfs zahlreich betheiligten und zu welchem auch mehrere Vereine aus der Umgebung erschienen waren. So die Veteranenvereine Marschendorf und Freiheit mit Musik und Fahne, die Feuerwehrvereine von Freiheit, Jungbuch und Albendorf, die Roeder´sche und Piette´sche Fabrikfeuerwehr, die löbliche Gemeindevertretung mit dem Herrn Bürgermeister an der Spitze, die P.T. Herren Beamten, der Bezirksobmann der Marschendorfer-Schatzlarer Bezirksvertretung etc. etc. Schon früh wehten schwarz-roth-goldene Fahnen von einigen Häusern des Festplatzes herab, welche Ausdruck gaben von der deutschnationalen Gesinnung der hiesigen Bevölkerung. Nachdem sich die früher erwähnten Vereine eingefunden haben, gruppierte sich der Festzug und setzte sich um 10 Uhr unter den Klängen einiger Musikkapellen und unter feierlichen Glockengeläute in Bewegung, um einem solennen Festgottesdienste beizuwohnen. – Nachmittags versammelten sich die Festteilnehmer in dem Saale des Marschendorfer Bräuhauses, wo unter der bewährten Leitung des Kapellmeisters Herrn Johann Niegmann ein Concert stattfand, welches den Ruf unser gutgeschulten Musik wieder glänzend bewiesen hat. Nur konnte das Concert, wie es ursprünglich ins Programm aufgenommen war, nicht im Garten der Restauration abgehalten werden, sondern mußte infolge Ungunst der Witterung im Saale durchgeführt werden. – Abends beschloß ein fröhliches Tanzkränzchen, das ebenso feierliche als sinnige Fest.
Einige Tage vor diesem Gründungsfeste begab sich zufolge Beschlusses der Mitglieder des Turnfeuerwehrvereines eine Deputation desselben bestehend aus dem Vorstande und dem Commandanten des Vereines sammt dessen Stellvertreter, sowie des Bürgermeisters der Gemeinde zu Seine Hochwohlgebohren dem Herrn Grafen Rudolf Czernin von Chudenitz als dem neuen Herrschaftsbesitzer von Marschendorf, um ihn zu bitten, das Protectorat des Vereines übernehmen zu wollen, welchem Ansuchen der Herr Graf auch bereitwillig entsprochen und aus diesem Anlasse zu Vereinszwecken, demselben namhaften Unterstützungsbeitrag von 100 fl. (fl. = Gulden) gespendet hat.



Am 23.07.1933 feierte die Freiwillige Feuerwehr Marschendorf IV. Teil ihr 60jähriges Gründungsfest.


"Trautenauer Zeitung" Nr. 32, 09. August 1884:
Marschendorf am 8. August (Bezirksvertretung) – [Personalnachricht.]
Die Marschendorf-Schatzlarer Bezirksvertretung hat in ihrer letzten am 30. Juli d. J. zu Marschendorf abgehaltenen Collegial-Sitzung nach erfolgter Adjustierung der Bezirksfondrechnungen des Jahres 1883 und Ertheilung der Bewilligung zur Einhebung einer Steuerumlage von 20% in der Stadtgemeinde Freiheit, dann Erstattung von geschäftlichen Anträgen beim Landesausschusse zum Zwecke der Bewilligung von Steuerumlagen pro 1884 in den Gemeinden Ober- und Niederkleinaupa, Großaupa I. Theil, Großaupa II. Theil & III. Theil und Lampersdorf und zur Forterhebung der Getränkeumlage in der Gemeinde Königshan durch weitere 6 Jahre - über Antrag des Papierfabrikanten Prosper Piette beschlossen, der Stadtgemeinde Freiheit zum Zwecke der Errichtung einer 2. Classe in der dortigen prosperierenden Gewerbeschule einen Unterstützungsbeitrag von 200 fl. aus dem Marschendorfer Bezirksfonde zu gewähren, beschlossen.
Der Glasfabrikant Herr C. Benoni ist in Geschäftsangelegenheiten nach längerem Aufenthalte in Berlin und London Ende vorigen Monats nach Amerika abgereist.


"Trautenauer Wochenblatt", Nr. 35, 01. September 1884:
Marschendorf, 28. August (Or.-Korr.)
Am letzten Samstage fand im Saale des Gasthauses zum Brauhofe der erste Turnabend statt, der dem Altvater Jahn auch in unserem Orte thatsächlich den Einzug verschaffte. Daß ihm ein freundlicher Empfang zutheil ward, beweist die rege Betheiligung und das große Interesse der Bevölkerung, die mit sichtbarer Freude die Stunde begrüßte, wo dem deutschen Turnvater ein Tempel errichtet wurde, in welchem deutsche Kraft gestählt werden soll. Nach der ersten Turnübung, welche viele fremde Turner beiwohnten und die von dem trautenauer Turnlehrer Herrn A. Waldner geleitet wurde, setzten sich, nach alter deutscher Sitte, die Turner zu einem recht gemüthlichen Kommerse zusammen, der geraume Zeit für sich in Anspruch nahm. Manch fröhliches, echt deutsches Lied wurde gesungen, das diesem Gründungskommerse förmlich die Weihe verlieh. Erst spät trennte sich die lustige Gesellschaft in der angenehmsten Stimmung, nachdem noch manch heitere Weise gestiegen war. –

Der derzeit ständige Ausschuß des deutschen Sängerbundes im Riesengebirge in Marschendorf brachte in dieser Woche die Abschlüsse des Vereinsjahres zu Ende und übersandte die Bundessachen an den, bei der in Marschendorf am 13. Juli l. J. abgehaltenen Bundesrathssitzung, neugewählten Vorort Arnau, da der Gesang- und Musikverein in dieser Stadt die Wahl angenommen hatte und woselbst das nächste Jahr die Bundesprodukzion stattfinden wird. Des löblichen, abtretenden Ausschusses in Marschendorf sei hiemit an dieser stelle ehrenvoll erwähnt und für seine Bemühungen und thatkräftiges Wirken der Dank ausgesprochen. Sollte auf Marschendorf die Wahl des Vorortes in künftiger Zeitt wieder fallen, so wird der Ausschuß in diesem Vororte seine Sache ebenso glänzend beenden, wie heuer.


"Trautenauer Zeitung" Nr. 41, 4. October 1884:
Marschendorf I., am 4. October (Feuerwehr)
Sonntag den 12. des Monats um 2 Uhr nachmittags hält die gemeinsame freiwillige Feuerwehr der Fabrik von P. Piette und die Gemeinde Marschendorf I. ihre diesjährige Hauptübung ab.


"Trautenauer Wochenblatt", 20. Oktober 1884:
K. k. Bezirksschulrath. Sitzung vom 16. Oktober 1884:
Der k.k.Landesschulrath hat mit Erlass vom 14. August 1884 Z 20237 die bisherige Privatvolksschule mit Öffenlichkeitsrecht in Marschendorf I. Theil als öffentliche fünfklassige Volksschule mit der 3. Lehrergehalts- und 4. Schulgeldklasse übernommen und die Konkursausschreibung zur Besetzung der Lehrstellen angeordnet. – Bürgermeisteramt Marschendorf I. und II. Theil zeigt die Wahl der Mitglieder in den Ortsschulrath für die neu errichtete öffentliche Volksschule in Marschendorf I. Theil an. Die Wahl wird bestätigt, die Mitglieder zur Angelobung vorgeladen und Herr Prosper Piette zum Ortsschulinspektor ernannt.


"Trautenauer Wochenblatt", 03. November 1884:
Marschendorf, 1. November (Bericht des Tr. W.) Todesfall.
Heute nachmittags verschied Herr Maurer- und Zimmermeister Hermann Kuhnt, welcher vor ca. 24 Jahren sich hier niedergelassen hat. Herr Kuhnt war 55 Jahre alt und hinterlässt eine trauernde Witwe; er war ein technisch sehr gebildeter Mann und seine Bauten zeugen alle von gutem Geschmack. Die meisten Bauten in unserem Aupathale hat er während dieser Zeit durchgeführt und auch in Johannisbad erbaute er so manches Logirhaus und manche Villa so z.B. "Kaiser von Österreich" und "Silberquelle"; zu anderen Bauten lieferte er sehr praktische Pläne. Herr Kuhnt stammt von Schmiedeberg und wird dahin am 4. d. um 7 Uhr früh überführt und bei dem Trauerhause singen. Um 1 Uhr findet die Beisetzung zu Schmiedeberg am evangelischen Friedhofe statt, da der hiesige römischkatholische Pfarrer die Beerdigung des dem protestantischen Glauben angehörigen Verstorbenen in dem marschendorfer Friedhofe verweigert (!!) hatte. – In unserem Vereinsleben wird das Scheiden des biederen Kuhnt längere Zeit hindurch fühlbar sein. –


"Trautenauer Wochenblatt", November 1884 Marschendorf, I. Thl. (Bericht d. Tr. W.):
Marschendorf, I. Thl., 01. November 1884. Nationales.
Die Konkursausschreibung (Einreichungsfrist bis 22. November) zur Besetzung der Oberlehrerstelle an der hiesigen, nun öffentlichen 5klassigen Volksschule hat unter der Bevölkerung eine nicht geringe Erregung hervorgerufen. Bekanntlich leitete die bis jetzt bestandene, von Herrn Prosper Piette gegründete Privatschule der Oberlehrer H. Petrak. Wird dieser junge Mann – so hört man überall fragen – auch Oberlehrer der öffentlichen Schule? Sollte derselbe älteren, verdienstvollen Kollegen vorgezogen werden? Wie wird sich Hr. Piette als Ortsschulinspektor zu dieser, für die Gemeinde so wichtigen Angelegenheit verhalten? – Diese und noch mehr Fragen werden lebhaft besprochen und haben nicht mit Unrecht eine gewisse Erregung der Gemüther hervorgerufen. Was die Person des bisherigen Schulleiters anbelangt, muß man offen eingestehen, dass derselbe bei seinen sonstigen Fähigkeiten unter den heutigen nationalen Verhältnissen für Marschendorf durchaus nicht passt. Abgesehen davon, dass er in seiner Familie nur tschechisch spricht, fast nur mit Tschechen verkehrt und seine Abstammung eine tschechische ist, hat er trotz der Versicherung seiner "verfassungstreuen" Gesinnung den Tschechen wiederholt hervorgekehrt. Bei der Lehrerversammlung zu Reichenberg hat er mit noch zwei Kollegen gegen den Antrag, dem Lehrerverein einen deutschen Namen zu geben, gestimmt. Man fürchtet für die Zukunft die Bestrebung nach Errichtung einer tschechischen Schule in Niedermarschendorf, sobald nur die erforderliche Anzahl tschechischer Schulkinder vorhanden ist (und der Petrak´sche Schulausweis notirt bereits 28 tschechische Schulkinder). Petrak war auch derjenige, welcher das hiesige sog. "internazionale Casino", als es einen Versuch machte sich auf deutschnazionalen Standpunkt zu stellen, durch sein brüstes Auftreten zu sprengen musste. Gewiß sind das Gründe genug, warum fast alle Deutschen sich von ihm zurückzogen, und die deutschen Vereine ihm die Aufnahme – wenn auch indirekt – verweigerten. Ist es dann ein Wunder, wenn man besorgt frägt, wie ein solcher junger Mann zur Zeit unserer Bedrängniß als Schulleiter in einer reinen deutschen Gemeinde ernstlich in Betracht gezogen werden könne?

Der Ortsschulrath wird bei der nächsten Gelegenheit die Besetzungsfrage zur Sprache bringen, sich gewiß in seiner Mehrheit auf den deutschen Standpunkt stellen und besonders betonen, wie erschaffend der Einfluß eines solchen Schulleiters auf die ihm unterstehenden Lehrkräfte in nazionaler Hinsicht sein muß. Wird der Orts- und Bezirksschulinspektor anderer Meinung sein? Von Ersterem muß es bei seinen chevoleresken und entschieden deutschfreundlichen Auftreten ganz bestimmt bezweifelt werden.


"Trautenauer Zeitung" Nr. 45, 20. November 1884:
Marschendorf I. am 27. November.
Anläßlich des Ueberganges der P. Piette´schen Privatschule in öffentliche Verwaltung sind vor Kurzem die Concurse zur Besetzung der Lehrstellen ausgeschrieben worden. An eine Aenderung im Personalstande des Lehrkörpers hat hier allerdings niemand gedacht, da kein Grund vorhanden war, die in ihren Stellen mehrere Jahre hindurch mit dem besten Erfolg wirkenden Lehrkräfte zu beseitigen. Indeß hatte der Leiter der Anstalt Herr Ed. Petrak, das Unglück, bei den Chef der hiesigen Papierfabrik der Firma Röder & Comp., Herrn Ludw. Wagner, in Ungnade zu fallen und der letztere setzt nun im Vereine mit seinem Procuristen, Herrn Ad. Güttner, alle Hebel in Bewegung. Herrn Petrak von seinem Posten fortzubringen, Unverantwortliche Cerrespondenzen, die theils plumpe Verdrehungen enthalten sind in alle Welt hinausgeschleudert worden. Gegen Herrn Petrak, dem die Herren nicht anders beikommen können, wird in der unlautersten Weise das nationale Moment ausgebeutet und er als wüthender "Kampfčeche" tätowiert. Daß diese Beschuldigung mit der Wahrheit gar nichts gemein hat, daß sie nur zum Deckmantel persönliches Hasses dienen muß, wissen alle, die Herrn Petrak aus persönlichen Umgange mit ihm kennen; ja diese fragen sich jetzt zumeist verwundert, ob Herr Petrak überhaupt "čechischer Abstammung" ist. Die Kampfweise des Herrn Ludwig Wagner charakterisiert ferner der Umstand, daß er Mitglieder des neu gewählten Ortsschulrathes theils in ihren Wohnungen aufsucht, theils sie auf der Straße anhält, theils sogar zu sich vorlädt (!), um sie in seinem Sinne zu präparieren. Von der tiefgehenden Erregung unter der Bevölkerung weiß diese selbst nichts, im Gegentheile verwahrt sich dieselbe auf das entschiedenste gegen jede Aufdrängung eines Antheiles an dieser Hetze. Und so erlaubt sich ein Mann, der für das Wohl unserer Gemeinde nie das geringste Opfer gebracht hat, hier eine unerhörte Schreckensherrschaft auszuüben. Er möge nicht vergessen, daß er es ist, der sich auch unter seinen Fabriksbediensteten keine Sympathie zu erfreuen hat, und daß die scheinbare nur durch sein gewaltthätiges Vorgehen erzwungen ist. Er möge auch nicht vergessen, daß seine österreichische Staatsbürgerschaft sehr neuen Datums ist, – wie es mit seinem österreichischen Staatsbewußtsein beschaffen ist, davon legt die bekannte Bilderaffaire ein beredtes Zeugnis ab.

Die Kämpfer contra Petrak haben auch an dem sattsam bekannten Rufer im Streite, an Herrn Dr. Bernh. Pauer, einen entsprechenden Bundesgenossen gefunden, jedoch genüge die Namhaftmachung dieses Mannes, um über seine giftigen Mixturen in der "Montags-Revue" und anderen Blättern zur Tagesordnung übergehen zu können.


"Trautenauer Zeitung" Nr. 50, 13. Dezember 1884:
Marschendorf I. am 11. Dezember.
Nicht die geringste unter den zahllosen Wohlthaten, welche Herr P. Piette unser Gemeinde erwiesen hat war die seinerzeitige Errichtung einer Schule. Bekannt ist, dass Herr Piette eine solche vor 4 Jahren aus eigenen Mitteln mit immensem Kostenaufwande ins Leben rief. Dieselbe auf 5 Classen ergänzt, wurde seitdem von ihm mit großen Opfern erhalten, mit weiteren ungewöhnlichen Opfern sicherte er vor Kurzem ihren Bestand und erwirkte endlich ihre Uebernahme in die öffentliche Verwaltung – ohne daß er, bei diesen Erfolge angelangt, ihre Entwicklung als vollendet betrachtet hätte. Von der Bezahlung des Schulgeldes waren die Schüler der Anstalt enthoben und fast sämmtliche erhielten die Schulbücher und alle sonstigen Schulerfordernisse unentgeltlich; daraus läßt sich ermessen, welch eine Erleichterung die glänzende humane Schöpfung Herrn Piette´s für unsere Bevölkerung war. Allgemein wird anerkannt, daß die Piette´sche Schule auch eine Musterschule sei und daß sie es mit durch die Bemühungen ihres bisherigen Leiters, des schon seit ihrer Eröffnung (1880) an ihr als Oberlehrer wirkenden Herrn Ed. Petrak geworden ist.

Nun soll mit Neujahr die Schule öffentlich werden und es ist nicht mehr als recht und billig, dass die Lehrkräfte der Privatschule auch fernerhin in ihren Stellungen verbleiben. Allein der Mensch denkt und – Herr Ludw. Wagner, der Chef der hiesigen Papierfabrik der Firma Röder & Co., lenkt. Er, der sich weder um die Hebung der Gemeinde verdient gemacht, noch sich um die Erhaltung der Schule, noch auch um die armen Kinder gekümmert hat, er stellt sich jetzt auf den Standpunkt des allmächtigen Pascha, decretiert die Absetzung von Lehrpersonen, vergibt nach seinem Gutdünken die Stellen und geberdet sich, weil ja das nichts kostet unverfroren als Herr und Gebieter. Insbesondere sind es zwei Lehrpersonen, die er nicht ferner dulden will: 1. Die Industriallehrerin Fräulein Pauline Tippelt, deren Stelle er anderweitig vergab, und 2. der Oberlehrer Herr Petrak.

Vor kurzem ward bereits an dieser Stelle auf die tolle Hetze hingewiesen, die Herr L. Wagner gegen Herrn Petrak ins Werk gesetzt hat – angeblich, weil letzterer "čechischer Abstammung" ist. Aus dem friedlich und zurückgezogen lebenden Manne, der sich nur um seine Berufspflichten kümmert, macht Herr Wagner im Handumdrehen einen wüthenden "Kampfčechen". An den schwarzgetünchten Zukunftshimmel Marschendorfs schrieb Herr Wagner mit lapidaren Flammenzügen das drohende Menetekel einer čechischen Schule, für den Fall, daß Herr Petrak im Amte bliebe. Beschränkte Geister, die dieser albernen Erfindung Glauben geschenkt hätten, fanden sich zwar nicht, immerhin aber erboste Zungen, die sie für Goldwährung ausmünzten.

Und welche Umtriebe gestattete Herr Wagner im neugewählten Ortsschulrathe! Er lief von Mitglied zu Mitglied oder lud sie vor seinem Stuhl und gewann ihnen den Handschlag ab. Er berief eine Sitzung und dictierte darin den Dreiervorschlag.

Aber wehe dem, der sein zu unehrlichem Kampfe entblößtes Schwert noch mit dem Eifer der Lüge und Verleumdung befleckt; das Gift frißt Schatten in seinen rechtlosen Stahl, er verwundet sich an eigener Klinge und fällt durch eigenes Gift!

So war es auch hier. Die Ungeheuerlichkeit der Verleumdungen öffnete den Unbefangenen die Augen und trotz des ausgeübten Druckes fanden sich Männer, die den Muth hatten, Recht vor Gewalt zu schützen und in der am 4. December stattgefundenen Ortsschulrathssitzung für Herrn Petrak zu stimmen. So wurde dieser an erster Stelle für den Oberlehrerposten vorgeschlagen.

Wer jedoch geglaubt hatte, Herr Wagner habe sich durch diese erlittene moralische Niederlage für besiegt erachtet, der irrte. Schleunigst machte er eine Rundfahrt bei Mitgliedern des Bezirksschulrathes um der Bestätigung des verhaßten Gegners entgegenzuwirken. Auf ein Zucken der Augenbrauen des Gewaltigen eilte eines seiner Werkzeuge, der Tischler Kröhn, der bereits vor zwei Jahren von Herrn Oberlehrer Petrak wegen Ehrenbeleidigung gerichtlich belangt wurde, von Haus zu Haus, um Unterschriften gegen Herrn Petrak zu sammeln – wer hätte es wagen dürfen, seinen Namenszug zu verweigern? Der Gewaltige hätte ihn vernichtet, wie er Diejenigen zu vernichten sucht, die am 4. December den Strich durch die Rechnung gemacht haben.

Die hier kurz skizzierte Thätigkeit, wie sie Herr Ludw. Wagner in unserer Schulangelegenheit entfaltet hat, reiht sich würdig an jene Gewaltthaten, die er sich seit einer Reihe von Jahren zuschulden kommen läßt und die von Mund zu Mund gehen. Er hat hier das "Faustrecht" etabliert und gibt jederzeit Proben. Der misshandelte Buchhändler Foglar, und in jüngster Zeit ein allgemein geachteter Mann unseres Bezirkes, sowie manche andere Personen haben das deutlich erfahren. Auch seine Nachbarn, die sich nicht selten Justificationen ihrer Hausthiere mit Pulver und Blei gefallen lassen müssen, könnten davon erzählen, – dürften sie. Wie vor seinen Verunglimpfungen selbst Bilder, die jeder Oesterreicher in Ehren hält nicht sicher sind, ist bekannt. Ist dies ganze Than und Lassen nicht darnach angethan, die Bevölkerung zu corrumpieren und zu demoralisieren?

Und dies ist der Mann, der sich für den Ritter Georg ausgibt, welcher den bösen Drachen Petrak bekämpfen muß. Ein Despot, der wie Herr Ludw. Wagner, Existenzen rücksichtslos zu vernichten strebt, nur um seinen niedrigen Rachegelüsten zu fröhnen, verdient keine Schonung und sei hiermit ein Schatten seines wüsten Treibens vor das Forum der öffentlichen Meinung gebracht!


"Trautenauer Wochenblatt", 29. Dezember 1884:
Marschendorf I. Theil, 28. Dezember. (Ber. d. Tr. W.)
Die fortgesetzte unqualifizirbaren Angriffe in der "Tr. Ztg." gegen den allgemein geachteten Fabrikanten Hrn. Ludw. Wagner wegen dessen Haltung in der Besetzungsfrage der hies. Oberlehrstelle fordern denn doch einige objektive Bemerkungen heraus. Als die Piette´sche Privatschule das Öffentlichkeitsrecht erlangt hatte, wurde der Ortsschulrath gewählt, in welchem Hr. Wagner als Chef der Firma Gustav Roeder & Co. vermöge deren Steuerleistung virilstimmberechtigt ist, folglich nicht durch die Gunst eines Andern in den Ortsschulrath kam. Nach der Konkursausschreibung der Lehrerstellen interpellirten einige Mitglieder des Ortsschulrathes Hrn. Wagner, wie bei Besetzung der Oberlehrstelle vorgegangen werden solle und in dieser Besprechung erklärte Herr Wagner, die Schule sei nun eine öffentliche und sie müssten dem Geeignetesten mit Rücksicht auf seine nazionale Gesinnung ihre Stimme geben. Für diese Äußerung wurde er noch vor der Schulrathssitzung in gröbster Weise in der "Tr. Ztg." angegriffen. In seiner Erwiderung erklärte er mit offenem Visir, nicht hinter dem Schilde der Anonymität, dass er "zur Stellungsnahme in dieser Sache berechtigt und verpflichtet" sei. Nicht persönliche Motive gegen Herrn Piette, dessen verdienste um die Gemeinde er eben so gut , wie Andere zu schätzen weiß, haben ihm den Weg zu seinem Vorgehen als Ortschulrathsmitglied gezeigt, sondern der allgemeine Wunsch der Bevölkerung, der Gemeinde, des Bezirks und der ganzen Umgebung.

Obwohl Herr Petrak in der Ortsschulrathssitzung nur durch Dirimirung des Vorsitzenden Hrn. Just primo loco vorgeschlagen wurde, musste es im Bezirksschulrathe anders ausfallen. Natürlich kann Herr Wagner hiefür nichts. Er hat weder eine Rundfahrt zu Bezirksschulrathsmitgliedern gemacht noch sonst wie auf dieselben Einfluß genommen, die Entscheidung konnte nicht anders ausfallen, da bei Staatsbehörden unter mehreren Bewerbern Dienstzeit und höhere Qualifikazion entscheidet und diese alte Prinzip aus Rücksicht für Privatinteressen nicht auf den Kopf gestellt werden kann. Von einer Aufregung ist hier nichts mehr zu bemerken und ist auch die seitdem erfolgte Ernennung des Herrn Wagner zum Bezirksschulrathsmitgliede seitens des Bezirkes Marschendorf der beste Beweis, auf welcher Seite die maßgebenden Persönlichkeiten der Bevölkerung zu suchen sind. Im Übrigendürften die vielen Angriffe auf einen anerkannten ruhigen, objektiven echten deutschen Mann, deren der Bezirk wenige besitzt, im Nazionalvereine ebenso zur Sprache kommen, wie es im Turnvereine der Fall war, wo ihm, dem Obmann für sein selbstloses Wirken Ovazionen gebracht wurden, wie sie auch seitens vieler Gesinnungsgenossen aus nah und fern einliefen. - Schließlich sei noch bemerkt, dass Hr. Piette selbst jene unfläthige Angriffe, sowie die Verhimmelung seiner eigenen Person zu Folge seines bescheidenen Charakters perhorreszirt.


"Trautenauer Zeitung" 1885:
Marschendorf am 10. Juni (Wetterschäden).
Am 7. des Monats nachmittags entlud sich über dem Riesengebirge ein ziemlich heftiges Gewitter. Der Blitz schlug wiederholt in Telegraphenleitungen ein, zertrümmerte in der Freiheiter Station den Apparat, versengte einige Holzbalken und zerschlug mehrere Isolierpfannen. In Marschendorf II. Theil zerfetzte er vier Telegraphenstangen und trieb auch in anderen Stationen dieses Zuges verschiedene Allotria. Auf der Mooswiese am Schwarzen Berge fiel ein Wolkenbruch und der in Marschendorf I. einmündende Seifenbach, wenige Minuten zuvor gänzlich ausgetrocknet, verwandelte sich plötzlich in einen reißenden Strom. Das Wasser stürmte über die hohen Ufer hinaus und richtete an Ufermauern, Dämmen und Wiesen sehr bedeutenden Schaden an. Der Fleischhauermeister Brendl stürzte beim Herausziehen von Treibholz unterhalb der Justmühle in die pfeilschnell dahinschießende schlammige Flut, die ihn mit sich riß, doch gelang es glücklicherweise, den fast aussichtslos mit dem Untergange Ringenden zu retten. Die Piette´sche Feuerwehr bewährte auch bei dieser Gelegenheit ihren guten Ruf. – Die Elementarereignis hat die Gefährlichkeit des unscheinbaren aber tückischen Seifenbaches zum so und sovieltenmale neuerdings dargethan und uns die Nothwendigkeit einer gründlichen Regelung seines Wasserlaufes in nicht missverstehender Weise ad aculos geführt.


"Trautenauer Wochenblatt", 10.08.1885:
K. k. Bezirksschulrath.
In der Sitzung am 05. d. wurden die Herren Hugo Swoboda derz. Unterlehrer in Trautenau, dann Josef Schröter, derz. Lehrer in Pilnikau als Lehrer an die hiesige Volks- und Bürgerschule berufen, das Frl. Walpurga Klenner (Tochter des hies. Steuereinehmers) zur prov. Unterlehrerin an der hiesigen Mädchenbürgerschule und die absolvirten Lehramtskandidaten Vogel aus Landskron (ein mit Matura absolvirter Gymnasiast) und Witoch aus Großaupa (suspplirte bereits durch mehrer Monate an der hies. Volksschule) zu prov. Unterlehrern in Trautenau ernannt. Eine erledigte Lehrstelle in Jungbuch wurde dem daselbst bislang als prov. Lehrer fungierenden Georg Kraus und eine Unterstelle an derselben Schule dem einzigen Petenten Josef Hilbert verliehen. – Die Besetzungder an der Volksschule in Niedermarschendorf I. und II. erledigten Lehrerstellen konnte nicht vorgenommen werden, weil in der Ortsschulrathssitzung, in welcher der Termavorschlag für den Bezirksschulrath beschlossen wurde, formelle Fehler unterlaufen sind und daher eine neuerliche Ortschulrathssitzung einberufen werden muß, zu welcher seitens mehrerer niedermarschendorfer Angehörigen um Delegirung eines Beamten der k.k. Bezirkshauptmannschaft zur Hintanhaltung weiterer Unzukömmlichkeiten ersucht worden soll. Wie wir vernehmen, dürfte diesem Ansuchen willfahrt werden; jedenfalls ist die endgiltige Austragung dieser leidigen Schulangelegenheit längstens bis Septemberbeginn zu erwarten. –


"Trautenauer Wochenblatt", 10.08.1885:
Marschendorf, 09. August. (Ber. d. Tr. W.) Hetzartikel - Oberlehrerwahl.
Wir besitzen seit Kurzem bei uns einen Korrespondenten in die Nar. Listy und, wie wir gestehen müssen, zu unserer Überraschung, denn wir haben nicht vermuthet, dass Jemand bei uns die nöthige Eignung hiefür besitzt. In den Nar. Listy vom 18. Juli nimmt derselbe den inzwischen mit einem freisprechenden Erkenntniß beendeten Prozeß gegen den Fabrikanten Wagner zum Anlaß, nochmals Gift und Galle gegen den letzteren in einer Weise auszulassen, wie es seinerzeit in Korrespondenzen der "Trautenauer Zeitung", welche bekanntlich zu jenem Prozeß den Anlaß gaben, geschah; sogar die Epitheta, mit denen Herr Wagner bedacht wird, sind dieselben, was uns auf die Vermuthung bringt, dass sich sowohl die "tschechischen" "Nar. Listy" wie auch die "deutsche" "Trautenauer Zeitung" durch denselben ehrenwerthen Herrn bedienen lassen. Um mit seinen Schimpfereien gegen den Fabrikanten Wagner nicht langweilig zu werden, hetzt er zur Abwechslung auch etwas gegen dessen Beamte, und zwar in folgender brutaler Weise:

"Durch den Despoten Wagner und seine Beamten, meistens Preußen, ist ein erbitterter Krieg gegen alle Tschechen, welche im Aupathale wohnen, entfacht worden, welcher hauptsächlich die Vernichtung der Existenz unserer Stammesangehörigen zum Ziel hat, gegen welche offen und geheim gekämpft wird. Bald befindet sich der, bald Jener auf der Proskripzionsliste und dann wehe ihm, wie auf ein Wild stürzt sich auf ihn diese preußische Meute."

Wenn man das list, fallen Einem unwillkürlich die alten amerikanischen Indianergeschichten ein, und stellt man sich dazu noch die beiden blutgierigen Ausländer vor, welche die Roeder´sche Beamtenschaft überhaupt zählt, so muß man unwillkürlich lachen. Die Roeder´schen Beamten, sowohl im Comptoir, als im technischen Betrieb, sind durchweg ruhige bescheidene Leute, die zum Theil 20 und mehr Jahre unter uns wohnen und niemals einen Unfrieden veranlasst haben, sie unterscheiden sich dadurch vortheilhaft von gewissen Herren tschechischer Zunge, denen Dünkel und Prozeßthum so zur zweiten Natur geworden sind, dass sie nicht wissen, mehr wie hoch sie Bauch und Nase tragen sollen und deren erstes Auftreten auch gleich das Signal für Unfrieden und Zerwürfniß war.

Da die Nar. Listy nur einen Abonnenten besitzen, so wird man wol nicht fehl gehen, wenn man den ehrenwerthen Korrespondenten unter den vertrauten Freunden dieses Abonnenten vermuthet; interessant wäre nur, wenn derselbe auch in der Affaire Haase die Nar. Listy, welche über diese Affaire Notizen brachten, mit Inspirationen versehen hätte. –

Der Kampf um die hiesige Oberlehrerstelle, ein Unicum in seiner Art, ist endlich nach den mannigfachsten Würgebändern, zu einem vorläufigen Abschlusse gekommen, in der letzten Ortsschulrathssitzung ist der tschechische Kandidat mit seinem Anhange total unterlege, und sieht man nun mit Spannung der Entscheidung des Bezirksschulrathes entgegen.


"Trautenauer Wochenblatt" 31.08.1885:
K. k. Bezirksschulrath.
In der letzten (27.August) Bezirksschulrathsitzung wurden für Marschendorf I ernannt: als Oberlehrer Rafael Iser, als Lehrer : Josef Falge, Emil Hawlitschek, als Unterlehrer: Adolf Zedek, Franz Hirschberg.


"Trautenauer Wochenblatt", 21. September 1885:
Marschendorf IV., 16. September. (Ber. d. Tr. W.) Massenverurteilung
Als am 24. Juli l. J. nachmittags in Freiheit die telegrafische Nachricht einschlug, der Prozeß des Herrn Fabriksbesitzers W. wegen Beleidigung eines Mitgliedes des kaiserlichen Hauses habe mit einem Freispruche geendet, da flog mit Windeseile freudig die geschäftige Fama durch das Aupathal und in der freudigen Erregung beschlossen Fabriksbeamte und Aufseher, den heimkehrenden Chef mit Musik zu begrüßen und einige Freuden-Pöller loszuschießen. Es wurde die Musik bestellt und als abends 10 Uhr Herr W. ankam, ging die Begrüßung und Serenade vor sich; einige Pöller knallten, die Musik spielte und einige Herren überbrachten Glückwünsche. Ein förmlicher Fakelzug oder Umzug fand nicht statt und Alles dauerte nur eine Stunde und zwar bis 11. Uhr.

Der Herr Oberlehrer Eduard Petrak in Marschendorf I schien indeß mit diesen Freudenbeweisen wenig einverstanden zu sein, denn er machte die Anzeige an das Gemeindvorsteher-Amt, dass betäubende Pöllerschüsse Alles aus dem Schlafe weckten und überdieß noch eine lärmende Musik hörbar sowie ein auf der Strasse dahin ziehender Fackelzug sichtbar wurde.

Über diese Anzeige und die Nachtragsanzeige des Polizisten Flömisch, welcher erst über Auftrag dieselbe am 05. August erstatte, weil er in dem musikalischen Ständchen nicht Ungesetzliches erblickte, hatte das k.k. Bezirksgericht in Marschendorf jedoch 41 Personen wegen Übertretunggen das Versammlungsgesetz am 11. September 1885 zur Hauptverhandlung zitirt, bei welcher 14 freigesprochen und 27 zu Geldstrafen verurteilt wurden und zwar: Zwei zu je 5 fl., Sieben zu je 3 fl., Einer zu 2 fl. und 17 zu je 1 fl. Geldstrafe, weil zu einem solchen Ständchen oder Aufzuge keine behördliche Genehmigung ertheilt wurde und überhaupt um eine Bewilligung nicht angesucht wurde. Die Fackelträger wurden freigesprochen deshalb, weil dies Knaben über Aufforderung der Musiker denselben mittelst Lampions lediglich die Noten beleuchteten und es ihnen gewiß nur darum zu thun war, die Lampions zu tragen und nicht sich an einem "Aufzuge" zu betheiligen. Dagegen: "Jene, welche die Musiker und Pöllerschießer bestellten, wurden bestraft; die Musiker selbst wurden bestraft; die Pöllerschießer ebenfalls wurden bestraft; die Gratulanten wurden bestraft; auch der Gastwirt Kauder, welcher die Lampions borgte, wurde bestraft." – Da nun überdieß der staatsanwaltliche Funktionär Hr. pens. Oberförster Miksch in Marschendorf wegen der Freisprechung der 14 Knaben die Berufung angemeldet hat, so wandert diese Geschichte noch zum Kreisgerichte. Ich weiß nun nicht, ob irgend einer der Verurteilten gegen das Urteil 1. Instanz rekurrirte, die Ansicht des Gerichtes 2. Instanz kennen zu lernen wäre jedenfalls interessant. –


"Trautenauer Wochenblatt", 21. September 1885:
Freiheit – Marschendorf, 20. September. (Ber. d. Tr. W.)
Am 13. d. veranstaltete die Ortsgruppe Nr. 394 Freiheit-Marschendorf ein Konzert mit drauffolgendem Tanzkränzchen zu Gunsten des deutschen Schulvereins. Trotz der ungünstigen Witterung hatte sich doch ein recht zahlreiches Publikum eingefunden und dadurch bewiesen, welch´ hoher Sympathien sich der deutsche Schulverein in unserer Gegend erfreut. Alles war des hochedlen Zweckes bewusst und spottete der verderblichen äußeren Einflüsse, da es doch galt, zur Erhaltung und Förderung des Deutschthums sein Scherflein beizutragen. – Die bewährte freiheiter Stadtkapelle brachte einige gelungene Stücke zum Vortrage und ärntete für ihre guten Leistungen reichen Beifall. In besonders liebenswürdiger Weise hatten auch die beiden Fräulein Frenzel aus Freiheit und Trautenau durch einen ausgezeichneten Vortrag auf dem Klavier den Abend verschönern geholfen. Während den Pausen sprachen Herr Dr. Schreier aus Freiheit und Herr Notar Vohla aus Marschendorf in deutschnazionalem Sinne und munterten alle Anwesenden zu festem Zusammenhalten und eifrigem Fördern der guten deutsche Sache auf. – Hierauf kamen 2 Kaiser Josefbilder zur Versteigerung, welche über 40 fl. einbrachten.

Nach Beendigung des Konzertes wurde eifrig Terpsichoren gehuldigt und verblieb Alles in dr gemüthlichsten Stimmung bis weit nach Mitternacht. Das Ges.-Reinerträgnis belief sich auf 80 fl. Schließlich können wir nicht unterlassen, an dieser Stelle noch den beiden oberwähnten Damen für ihre liebenswürdige Mitwirkung unseren besten Dank zu sagen.


"Trautenauer Zeitung" Nr. 51, 20.12.1885:
Marschendorf I. am 18. Dezember.
Die wegen der Ausschreibung der Lehrstellen für die hiesige bisher Piette´sche Schule künstlich hervorgerufene Aufregung hat sich durch die Entscheidung des k.k. Bezirksschulrathes vom 11. des Monats keineswegs gelegt, sie ist nur in ein anderes Stadium getreten.

Ohne die Opferfreudigkeit eines Herrn Piette wäre der Wunsch der Niedermarschendorfer Bevölkerung wohl nie in Erfüllung gegangen. Nun hat er aber mit Aufwand großartige Mittel eine Schule gegründet und selbe jahrelang erhalten, ohne daß von irgend einer Seite auch der geringste Beitrag geleistet worden wäre. Die Bewohner genossen alle Wohlthaten einer eigenen Schule und waren von jeglicher Last verschont. Schulgeld, Auslagen für Heizung, Reinigung, Lehr- und Lernmittel gabs für sie gar nicht. Die Eltern hatten nur die Kinder fleißig in die Schule zu schicken, die Bemittelten kauften höchstens die Schreibmittel: Hefte, Federn und Bleistifte.

Nach all Diesem wäre es nicht mehr als billig gewesen dem Wunsche des Herrn Piette nach Beibehaltung der von ihm angestellten, den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Lehrkräfte gerecht zu werden. Doch dies wußte ein Mann zu verhindern, der gemäß seiner Stellung und seines gegebenen Wortes in gleicher Weise wie Herr Piette berufen gewesen wäre, den Niedermarschendorfern zu einer Schule zu verhelfen, wenn er es nicht billiger gefunden hätte, auf sein Wort zu vergessen und Herrn Piette die Ehre allein zu überlassen. Doch jetzt, nachdem er Herrn Piette eine Stellung im Marschendorfer Ortschulrath zu danken hat, greift er mit rauer Hand zerstörend in das Leben der Anstaltein. Wie ein Türke oder Hussit kann er eben nur vernichten, was andere gebaut haben.

Mit Lehrerexistenzen springt er um wie mit wert- und fühllosen Steines des Feldes. Nachdem Herr Piette von Niemandem Dank, von vielen freilich meist irregeführten aber bitteren Undank für sein fast beispiellos dastehendes Wohlwollen erntet, und seine edle Saat von . . . . Menschen zertreten sieht, müßte er an Geduld ein Gott sein, wenn er trotz allem fortführe, die Erkenntnislosen mit Wolthaten zu überhäufen, und an weitere Anstalten zu denken, um den Ort zu heben. Höhnend hat man den besten Helfer bei den meisten seiner humanen Bestrebungen, Herrn Oberlehrer Petrak, von seiner Seite gedrängt und förmlich aus der Lehrerschaft hinausgestoßen, in welcher er einen ehrenvollen Platz einnahm. Die Gemeinde und jeder Einzelne werden nun alle Schullasten selbst zu tragen haben, die bereits eingerichtete Schülerwerkstätte wird ausgelassen, der bereits klar durchdachte Plan einer Handwerkerschule, das Project, eine Bürgerschule zu gründen, bleiben jetzt unausgeführt, zum Schaden einer irregeleiteten Bevölkerung, welche zu spät gereuen wird, einem Manne gehorcht zu haben, der nie daran gedacht hat, nicht daran denkt und nie daran denken wird, in die segensreichen Fußstapfen eines Herrn Piette zu treten. Den frischen Aufschwung des Ortes hat er damit zum Stillstehen gebracht.

Das Hauptopfer seiner Wuth, Herr Oberlehrer Petrak, mag sich aber damit trösten, daß bei Beurtheilung seines Charakters und Wertes seine zahlreichen, meist gedungenen Feinde weit weniger in die Wagschale fallen, als der Name Piette. Dieser glänzende Name, dessen Träger zu den edelsten Menschen weit und breit gehört, wiegt ein ganzes Heer obscurer Namen auf. Der Schutz, den Herr Piette ihm angedeihen läßt, die Theilnahme, die er für sein Schicksal zeigt, kann ihn für die erlittene Unbill mehr als entschädigen.

Auch die Anhänglichkeit, welche seine nächsten Collegen, die sonst gern in dem Oberlehrer einen Qualvermehrer erblicken, ihm trotz der damit verbundenen Gefahr erzeigen, muß ihm eine freudige Genugthuung gewähren.


"Trautenauer Zeitung", Nr. 3,16. Jänner 1892 :
Marschendorf IV. am 6. Jänner (Christbescherung)
Sonntag, den 20. d. M. fand wie alljährlich auch heuer um 4 Uhr nachmittag die feierliche Betheilung dürftiger Schulkinder vonseite des hiesigen Ortschulrathes im Bräuhofsaale zu Marschendorf IV. statt. Derselben wohnten dei hiesigen Herren Beamten und deren Frauen, die Mitglieder der Gemeindevertretung und des Ortsschulrathes, sowie eine außergewöhnliche Anzahl anderer Schul- und Kinderfreunde von hier und den eingeschulten Ortschaften bei. Eingeleitet wurde diese Feier durch eine wohlgemeinte Ansprache von dem Oberlehrer Herrn Rafael Iser, in der er dei Feier des Christbaumfestes erörterte, die anwesenden Kinder aufforderte sich durch Fleiß und gute Sitten der Unterstützung ihrer edlen Wohlthäter würdig zu zeigen. Hierauf gelangte vonseite des Lehrkörpers mit den Schülern der Oberclsassen "Das Weihnachtsfest" von Hummel, ein zweistimmiges Liederspiel mit Declamation und Begleitung des Claviers und Harmoniums, nebst passenden Einlagen zur Aufführung, das einen erhebenden Verlauf nahm und reichlichen Beifall erntete. Sodann nahmen die Orstsschulrathsmitglieder eigenhändig die Vertheilung der Weihnachtsgeschenke vor, die auf langen Tischen zu beiden Seiten eines reichgeschmückten Christbaumes vorbereitet waren und in 37 Paar Stiefeln, 40 Paar Schuhen, 32 Winterröcken, 38 Paar Hosen, 39 Kleidern und einem Kopftuche, ferner in Obst und allerlei Backwerk bestanden. Nachdem hierauf der Schulleiter, Herr Rafael Iser, im Namen der betheilten Schulkinder allen mildherzigen Wohlthätern, sowie dem Ortsschulrathe, insbesondere dem Vorsitzenden desselben, Herrn Bürgermeister Johann Pfluger für seine aufopfernde Mühe und Thätigkeit den wärmsten Dank zum Ausdrucke gebracht hatte, schloss er diese schöne Feier mit einerm dreifachen "Hoch" auf seine Se. Mäjestät unseren Kaiser und mit der Absingung der Volkshymne. Die Anschaffungskosten der heurigen Weihnachtsbetheilung betrugen mehr als 400 fl. Es spendeten zu diesem Zweck Frau Gräfin Emma Czernin 150 fl., ein ungenannt sein wollender Wohlthäter 100 fl., Fabrikant Herr Joh. Fibinger 20 fl., die Gemeinden Marschendorf III. Dunkelthal und Niederkolbendorf zusammen 28 fl. 20 kr. Der Rest wurde von den Erträgnissen der Heisler´schen Schulstiftung und durch eine von Herrn Bürgermeister Pfluger und Herrn Ortsschulrath-Inspector Josef Hanke eingeleitete Sammlung in Marschendorf IV. gedeckt. Allen herzlichen Dank und Gottes Lohn!


"Trautenauer Zeitung" 1892:
Marschendorf IV. am 3. Februar. (Maskenkränzchen)
Am 1. d. M. veranstaltete der hiesige Gesangverein ein Maskenkränzchen, dessen Verlauf als ein glänzender zu bezeichnen ist. Schon seit langen Jahren ist im hiesigen Orte ein Ball in diesem Genre nicht gewesen und darum ließ es sich auch der Verein, beziehungsweise das Ballcomité sehr angelegen sein, für ein gelungenes Arrangement alles mögliche aufzubieten. Die Decoration des Tanzlocales war prächtig und glaubte man sich auf einen japanesischen Jahrmarkt versetzt zu sehen; ebenso war auch ein kleiner, an dieses Local anstoßender Salon in passender Weise dem Charakter des Ballfestes entsprechend, decoriert. Für die Bequemlichkeit der Gäste war in jeder Beziehung gesorgt worden. Die ankommenden Gäste wurden von einem Portier in Empfang genommen und ihnen von demselben jedwede gewünschte Auskunft bereitwilligst ertheilt. Der Saal wimmelte von Masken verschiedener Arten und von Unmaskierten, von denen viele aus Hohenelbe und Trautenau waren. Die Kapelle des 94. Inf. Reg. spielte sehr fleißig und ist es selbstverständlich, dass nach ihren berückenden Weisen sehr viel getanzt wurde. Der Ball währte bis sechs Uhr morgens.


"Trautenauer Zeitung" 1892:
Marschendorf IV. am 7. Februar. (Kindergarten – Spenden)
Als eine unschätzbare Wohlthat für dei Schulgemeinde Marschnedorf IV. wird dei Errichtung und Erhaltung eines Kindergartens vonseite unserer hochherzigen Frau Gräfin Emma Czernin angesehen, einer Anstalt, welche die Lücke zwischen Schule und Haus in zweckmäßiger Weise auszufüllen und die etwa mangelhafte Familienerziehung zu ergänzen und zu verbessern imstande ist. Frau Gräfin Czernin beabsichtigt behufs Unterbringung des Kindergartens den Aufbau eines diesem Zwecke ganz und gar entsprechendes Hauses, wozu bereits alle Vorkehrungen getroffen sind. Die Errichtung und Erhaltung eines Kindergartens ist, wie vielen bekannt, der Lieblingswunsch unserer Frau Gräfin und gewiss setzt sie sich durch dei Realisierung desselben ein würdiges und unvergessliches Denkmal und verpflichtet dadurch die Bewohner von Marschendorf IV. und den eingeschulten Ortschaften zu stetem Danke. – Unsere Schule erhielt von dem um das Gedeihen derselben unermüdlich besorgten Ortsschulrathe ein schönes Christgeschenk, nämlich ein Salon-Harmonium aus der bestrenommierten Harmoniumfabrik des A. Hugo Lhota aus Königgrätz. Dasselbe ist 2spielig, 6 Octaven Tonumfang, 11 Register zum Preise von 200 fl. Auch die Lehrmittelsammlung erfuhr durch ihn vorher eine Vermehrung durch den Ankauf einiger schöner Präparate aus der Lehrmittelsammelstelle in Petersdorf, welche Bezugsquelle allen Lehrern und Schulfreunden nur wärmstens empfohlen werden kann. – Durch Herrn Apotheker Roman Lerch, derzeit in Marschendorf IV. kam unsere Schule abermals in den Besitz schöner und wertvoller Lehrmittel aus der Thier- und Pflanzenwelt Afrikas. Auch unsere Münzensammlung wurde durch ihn und den k. k. Notar, Herrn Alois Berger, in Marschendorf IV. ansehnlich vermehrt. Die Bücherei verzeichnet einen Zuwachs durch Spenden des verehrlichen Centralausschusses des österreichischen Riesengebirgsvereines und des Fabrikbesitzers, Herrn Prosper Piette in Marschendorf I. Ihnen allen sei an dieser Stelle der wohlverdiente Dank ausgesprochen.

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