Die Glasfabrik "F. Unger & Co" in Dunkeltal

Die Firma "F. Unger & Co" wurde von Ferdinand Unger im Jahre 1818 in Liebenau gegründet. Seine Vorfahren sollen um 1700 aus Ungarn nach Böhmen eingewandert sein und hatten in Tiefenbach eine Glashütte errichtet. Die eingegangene Glashütte ist unter dem Namen "Ungerhütte" bekannt. Sie waren die Ersten, welche sich im Riesengebirge mit Geschick und Energie der Glasfabrikation und dem Großhandel mit Glaswaren widmeten und sind somit in diesem Bezirke als die eigentlichen Begründer der seither in so großartigem Maßstabe zur Entwicklung gelangten Glasindustrie zu betrachten sind.

Sein Sohn Ferdinand Unger übernahm im Jahre 1848 als Alleinbesitzer die Firma und erwarb im Jahre 1854 die Glasfabrik von Dunkeltal im Amtsbezirk Marschendorf.

In einer Beschreibung aus dem Jahre 1858 lesen wir:

"Unmittelbar an Marschendorf schließt sich das kleine Dörfchen Dunkelthal an, welches in 60 Häusern 551 Einwohner zählt. Beim Eintritte in dasselbe wird das Aupatal immer malerischer, denn die Berge werden immer höher und steiler und das Tal immer düsterer und wilder. Himmelhohe, bewaldete Bergspitzen erheben sich weithin zu beiden Seiten der nun vereinigten großen und kleinen Aupa und von Fels zu Fels stürzen die Wasser des eigentümlich gefärbten Bergflusses, schon in der Ferne vernehmbar in Folge ihrer rauschenden Strömung. Hohe Bergwände, zum Teil durch schroffe Klippen unterbrochen, dienen den plätschernden Kaskaden zur malerischen Umrahmung und in Mitte dieses überraschenden Landschaftsbildes erblickt man die Glasfabrik der Firma "F. Unger & Co", an wie wir sie täuschend ähnlich im Bilde vor uns sehen. Von den Wasserfluten im Jahre 1858 hart mitgenommen, wurde das Etablissement bald wieder und in einzelnen Teilen zweckmäßiger und geschmackvoller hergerichtet, um der Sammelplatz einer großen Anzahl von Arbeitern und die Werkstätte zu werden, aus welcher die Erzeugnisse des Kunst- und Gewerbefleißes in die fernsten Länder des Erdenkreises entsendet werden. Die im Jahre 1810 erbaute, der heil. Anna geweihte Kapelle blickt aus den Waldesschatten des Schwarzen-, Ruhren- und Oberspitzbergs auf das geschäftige Treiben im Dunkelthale herab, indem sie der Landschaft, in weiche der himmelhohen Berge wogen nur auf wenige Stunden des Tages ein Sonnenstrahl hernieder fällt, einen unbeschreiblichen Reiz verleiht."

Die Fabrik umfasste:

1.
Die "Helenenhütte" mit 2 Öfen, jeder zu 7 Hafen, dann mit 2 Temperieröfen und 6 Kühlöfen, der Gemengestube, der Formmacherwerkstätte für Holzmodelle und es sind an diese Hütte das Kontor und die Magazine für fertige Waren angebaut;
2.
Die "Dorotheahütte" mit 2 Öfen, jeder zu 7 Hafen, 2 Temperieröfen, der Gemengestube, der Formmacherstube für Messing- und Eisenformen, der Hafenstube und den Magazinen für Kalk , Ton und andere Materialien;
3.
Die Schleifmühle mit 50 Radstühlen;
4.
Die Kiesbrennerei und Pottaschen-Siederei;
5.
Die Magazine für halbfertige Waren und für Pottasche;
6.
Die Magazine für Formen und Modelle;
7.
Die Mahlmühle und die Pochwerke;
8.
Die Kiespochwerke;
9.
Das Wohnhaus des Direktors und der Kontorristen;
10.
Das Maleratelier;
11.
Die Glasschneidewerkstatt;
12.
Das Wirtshaus und
13.
bis zu 20. Acht-Arbeiterhäuser.


Der Betrieb vereinigte die Herstellung aller Arten von Glaswaren, mit alleinigem Ausschluss von Tafel- und Spiegelglas, in sich und erzeugt vorzugsweise:

Rohglas in Stangen zur Fabrikation von Druckperlen, Knöpfen, Steinen etc. etc.; hohle Glasstengel zur Fabrikation verschiedener Perlengattungen etc. etc.; Lustersteine, Lichttassen, Messerleger, Salzfässer, alle Bestandteile für Lüster etc. etc., sowohl in Kristall als in den verschiedensten Farben und werden diese von der Fabrik großenteils roh gelieferten Artikel in der eigenen Fabrik zu Tiefenbach (Tannwalder Bezirk) raffiniert; Rohglas in allen Sorten und Qualitäten, in Kristall und in den verschiedensten Farben, in ordinären Exportartikeln sowohl, als in den feinsten Luxusgegenständen, als: Tafelservices, Flakons, Blumenvasen etc. etc. und werden diese Artikel dann wieder in der eigenen Fabrik zu Haida veredelt, dem in- und ausländischen Handel zugeführt.

Die Absatzquellen der Fabrik beschränkten sich nicht nur auf den europäischen Kontinent, wie England, Spanien, Frankreich, Russland, Italien, Schweden, Norwegen und die Türkei, sondern auch mit Erfolg auf alle überseeischen Märkte in Asien, Amerika, Afrika und Australien. Die Firma "F. Unger & Co" war auf den meisten Märkten entweder durch eigene Vertreter oder durch eigene Niederlassungen vertreten. Durch die Vielfalt der erzeugten Glaserzeugnisse fand sie leicht Zugang zu den fremden Märkten. Die jährlichen Versendungen von Glas und Glasware vorzugsweise nach dem Auslande betrugen von Dunkeltal aus 4000, von Tiefenbach aus 5000 und von Haida aus 6000 Ztr.

Die Firma "F. Unger & Co" war bereits auf den meisten Industrieausstellungen vertreten und wurde.

1829 in Prag mit der Bronzemedaille,
1835 in Prag mit vier silbernen Medaille,
1839 in Wien mit der goldenen Medaille,
1845 in Wien mit der goldenen Medaille und
1860 in Besancon mit der silbernen Medaille
ausgezeichnet. Zur Krönungsfeierlichkeiten des Kaisers Ferdinand in Prag wurde der Firma die goldene Verdienstmedaille verliehen.

Das in der Dunkeltaler Fabrik erzeugte Kristallglas zeichnete sich ganz besonders aus und über­traf an Weiße und Feuer selbst das englische Glas in jener Zeit. Das Kristallglas war das Haupterzeugnis der Fabrik, aber auch die dort produzierten Farben- und Überfanggläser, so wie Schliff, Vergoldung und Dekorierungen fanden die größte Anerkennung.

Die erforderliche Maschinenkraft der Fabrik in Dunkeltal wurde ausschließlich aus der Wasserkraft der Aupa gewonnen.

Der Betrieb in Dunkeltal bildete an und für sich nur einen Zweig des, von der Firma "F. Unger & Co" repräsentierten Glasgeschäfts und besitzt außer dem Stammhause zu Liebenau (Amtsbezirk Böhm. Aicha):

1.
ein Kontor in Tiefenbach mit Glasraffinerien für Prismen, Perlen, Knöpfe, Steine, Bijouterien etc. etc., bei welchen in den eigenen Schleifereien 224 Scheibenschleifer, 60 Hohlschleifer und 40 Perlenschleifer und in der nächsten Umgegend gegen 500 fremde Arbeiter beschäftigt waren;
2.
ein Kontor  in Haida mit Glasraffinerien für alle so genannten Hohlglasartikel, als: Tafelaufsätzen, Luxusgegenständen, Lüster etc. etc., welches in eigenen Schleifereien 100 Scheibenschleifer, 150 Hohlschleifer, 25 Maler und Glasschneider und in der nächsten Nähe gegen 200 andere fremde Arbeiter behufs des Vergoldens, Malens, Rubinirens des Glases beschäftigt, so dass die Gesamtzahl der in den vereinigten Etablissements der Firma "F. Unger & Co" in Verwendung stehenden Personen annäherungsweise 2000 betrug.

Die Glasfabrik F. Unger & Co unterhielt 1858 Niederlagen in Wien-Mariahilf in der Hauptstrasse Nr. 1l, in Berlin in der Rossstrasse Nr. 6 und zu den Leipziger Messen in Leipzig in der Ritterstrasse Nr. 4.

Die Firma war um 1860 die einzige in dem österreichischen Staate, welche in eigenen Fabriken jeden einzelnen Glasartikel selbst erzeugte, veredelte und zugleich auch in den Handel brachte und welche somit mit Ausnahme von Tafel- und Spiegelglas alles selbständig zu produzieren im Stande war, was von der Glasindustrie im Allgemeinen gefordert wurde und was in dieser Branche benötigt und erzeugt werden konnte.



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